JR in München

Bühne für die Vergessenen

Der französische Künstler JR begann als Sprayer, heute stellt er seine Street Art in Museen aus. Die Kunsthalle München zeichnet seine Reise von den Pariser Vororten in die Welt nach

Von Laura Storfner
29.08.2022

Nicht immer gelingt der Transfer von Street Art in den White Cube, aber die Kunsthalle München findet mit Wandbildern, Videos und Vitrinenpräsentationen eine Mischung, die JRs Praxis gerecht wird. Der Ausstellungsparcours dokumentiert die verschiedenen Kapitel seines bisherigen Schaffens spielerisch, anstatt Straßenszenen zu imitieren oder sein Werk musealisieren zu wollen.

JR Giants, Kikito and the Border Patrol Mexiko USA
In Tecate, Mexiko, direkt an der Grenze zu den USA positionierte JR 2017 seine Installation „Giants, Kikito and the Border Patrol, Tecate, Mexico–U.S.A“. © JR-ART.NET

JRs Botschaften sind dabei so einfach, wie bildgewaltig: Er selbst verortet sich in der Tradition der Wandgemälde des Mexikaners Diego Rivera und will Communities mit seiner Kunst etwas zurückgeben. Seine Projekte sind spektakulär, aber nicht immer frei von Kitsch und Weltverbesserungsfantasie. Über die Jahre hat sich sein Tun professionalisiert, er selbst ist im Mainstream angekommen. JR tritt – im Gegensatz zu seinem Street-Art-Kollegen Banksy – gerne öffentlich auf. Seine Uniform aus Hut und Sonnenbrille, die ihm zu Beginn seiner Karriere ein Stück Anonymität bewahren sollte, wirkt heute wie das Kostüm eines alternden Hipsters. Aus dem Sprayer, der wegen Vandalismus angezeigt wurde, ist ein Geschäftsmann geworden, der sich zu inszenieren weiß und von der Politik gefeiert wird.

Indem JR jedem einen Platz in seiner Bildwelt einräumt, steht er selbst immer auf der richtigen Seite. Bis heute lehnt er die Zusammenarbeit mit Sponsoren ab, finanziert seine Aktionen durch den Verkauf von Lithografien seiner Arbeiten. Ja, man kauft es ihm ab, wenn er sich Inklusion auf die Fahnen schreibt – vor allem, wenn er neben seinen Aktionen auch Kulturzentren in Randbezirken unterstützt. Aber ohne die Menschen, die für ihn posieren, gäbe es seine Kunst nicht. Tut er ihnen etwas Gutes oder eher sie ihm? Die Kunstwelt scheint an JR und seine Arbeit zu glauben: 2007 stellte JR erstmals auf der Biennale in Venedig aus, vertreten wird er heute unter anderem von der Pace Gallery und Perrotin. Die Institutionen profitieren von seinem Image als salontauglichem Rebellen, mit dem neues, junges Publikum in den Ausstellungsraum kommt. JR selbst profitiert von den Institutionen, die seinen Werken den nötigen Kontext für immer ambitioniertere Aktionen verleihen.

JR Installation Migranten Grenze Tecate, Mexiko USA
Ein Picknick, das über die Grenze reicht: JRs „Migrants, Mayra, Picnic across the Border, Tecate, Mexico–U.S.A“ von 2017. © JR-ART.NET

Fest steht, dass JR dort am stärksten ist, wo er angefangen hat: im öffentlichen Raum. Im September wird sein bislang größtes Projekt „Inside Out“ mit einem mobilen Fotostudio in München Halt machen. Jeder und jede ist eingeladen, für die Stadt Gesicht zu zeigen. So, wie man ist.

Service

Ausstellung

„JR: Chronicles“,

bis 15. Januar,

Kunsthalle München

kunsthalle-muc.de

Service

Aktion „Inside Out“

9.9.2022, 12–19 Uhr:

Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA), Hotterstraße 12

10.9.2022, 12–19 Uhr:

Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA), Hotterstraße 12

11.9.2022, 12–18 Uhr:

Starnberger Flügelbahnhof, Kindermuseum München, Arnulfstraße 3

13.9.2022, 12–19 Uhr:

Gasteig HP8, Hans-Preißinger-Straße

14.9.2022, 12–18 Uhr:

Köşk im Westend, Schrenkstraße 8

15.9.2022, 12–18 Uhr:

FÜNF HÖFE, unter den Hängenden Gärten, Theatinerstraße 8

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