Mehr als 50 Galerien präsentieren beim Berliner Gallery Weekend moderne und zeitgenössische Kunst auf höchstem Niveau. Wir empfehlen neun Stationen, die Sie nicht verpassen sollten
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24.04.2023
Bei Soy Capitán schmücken bis zum 10. Juni drei Keramikfriese von Paloma Proudfoot die Galeriewände. Inspiriert von der Legende „The Three Living and The Three Dead“ und mittelalterlichen Traditionen erkundet die britische Künstlerin die Beziehung zwischen den Lebenden und den Toten. Proudfoot visualisiert, wie unsere Körper durch Energieströme miteinander verbunden sind, lässt innen und außen verschwimmen und schafft eine eigene Darstellungsform unseres physischen Selbst. Erfahrungen aus der Textilbranche kommen ihr zugute, wenn sie die Anatomie ihrer Figuren offenlegt und Körper neu zusammensetzt. Die zarten Kompositionen stehen im Kontrast zu dem festen Material, aus dem sie geformt sind.
Der kurdisch-irakische Künstler Hiwa K, seit der Documenta 2017 einem größerem Publikum bekannt, stellt sich in seiner Heimatstadt Sulaimaniyya den grausamen Spuren des Regimes von Saddam Hussein während der Achtzigerjahre und der Hölle seiner eigenen Schulzeit. Mit einem 1500 Meter langen Drahtseil hat er Stationen seiner Kindheit verbunden, sein Elternhaus (heute eine Ruine), seine Schule und das Gefängnis. Diesem Seil entlang folgt er nun filmisch, per Drohne oder im Gespräch mit Betroffenen. Die Galerie Kow zeigt bis zum 1. Juli seine Installation „Like a Good, Good, Good Boy“ mit drei Videos, in denen wir etwa von Lehrern erfahren, die auch als Folterknechte im Gefängnis arbeiteten.
In tollen neuen Räumen am denkmalgeschützten Strausberger Platz zeigt die Galerie Plan B bis 13. Mai die jüngsten Gemälde und Kohlezeichnungen des rumänischen Künstlerstars Adrian Ghenie, dessen Werke international mit siebenstelligen Beträgen gehandelt werden. Mit malerischer Bravour hat er schwungvolle Figuren auf der Straße oder dem Sofa festgehalten, die mit sich und ihren elektronischen Geräten beschäftigt sind. Hier und da ragen Sneakers, Handys oder Zigaretten aus den anarchisch kombinierten Körperteilen. Motive voller Spannung: Werden die Elemente gerade zur Figur, oder löst sie sich vor unseren Augen auf?
Die Albtraumszenarien der Zukunft erzählt Bjørn Melhus mit den Worten der Gegenwart: Dafür stibitzt er Dialogschnipsel aus Kinofilmen, Fernsehsendungen und Social-Media-Posts und puzzelt daraus Audiospuren für seine eigenen dystopischen Videoarbeiten zusammen. Alle Figuren verkörpert der 1966 geborene Künstler selbst als Playback-Darbietung. Das ist umso lustiger, je schräger der Originalton klingt. In der vielversprechenden Ausstellung bei Ebensperger vom 28. April bis 17. Juni mimt Melhus in seiner neuen Serie „Gatekeepers“ (2023) paranoide Wächter, die diffuse Bedrohungen abwehren wollen
Gallery Weekend Berlin,
28. bis 30. April 2023
Das komplette, aktualisierte Programm gibt es unter gallery-weekend-berlin.de