Interview mit Gerwald Rockenschaub

„Mein Atelier ist der Computer“

Der österreichische Künstler Gerwald Rockenschaub hat das Schlossmuseum Linz in ein farbenfrohes Gesamtkunstwerk verwandelt. Ein Gespräch über Wiener Schmäh, Clubkultur und die Komposition von Bildern

Von Tim Ackermann
25.05.2023

Rosemarie Schwarzwälder ist in mein damaliges Atelier gekommen und dann hatte ich mehr oder weniger sofort eine Ausstellung. Zuerst eine Gruppenschau, dann eine Einzelausstellung und Rosemarie hat mich auch auf die Kunstmessen in Basel und Köln mitgenommen. Auf einmal stand Paul Maenz vor der Tür…

… damals einer der bekanntesten Galeristen und Kunstsammler in Köln.

Genau! Also, es war eine Aneinanderreihung von Zufällen, weil ich halt das Richtige zum richtigen Zeitpunkt gemacht habe. Ich habe damals auch gemalt. Kleine, hauptsächlich geometrische Bilder. Quasi Modelle für Malerei, konzeptuell! Meine Ausstellungen waren damals ebenfalls schon durchkomponiert – in meiner ersten Schau 1984 in der Galerie nächst St. Stephan in Wien zum Beispiel: in einem Raum ein Blumenbild und ein Kunstrasen!

1987 war das Jahr, in dem Sie zum letzten Mal gemalt haben, oder?

Wenn ich jetzt Werke mache, muss ich sie herstellen lassen, weil ich die notwendigen handwerklichen Fähigkeiten für die Herstellung meiner Arbeiten gar nicht habe. Ich würde die entsprechenden Maschinen auch nicht im Atelier haben wollen. Abgesehen davon habe ich ja gar kein Atelier. Mein Atelier ist der Computer. Meine Idee war schon immer ein schlanker Betrieb. Für die Produktion engagiere ich Professionisten projektbezogen.

Gerwald Rockenschaub
„Mein Atelier ist der Computer“, so Gerwald Rockenschaub. © Foto: Michael Maritsch

Wenn Sie ein Werk erschaffen, stellen Sie sich ein Publikum dazu vor oder machen Sie es primär für sich?

Weder das eine noch das andere. Ich mache es für die Ausstellung! (lacht) Ich überlege, was ich da zeigen will und realisiere es dann. Natürlich mache ich das auch für ein Publikum. Genauso war es, wenn ich aufgelegt habe. Das habe ich in erster Linie für die hoffentlich tanzende Menge gemacht.

Einerseits wird die Welt von immer mehr Logos und Emojis dominiert. Andererseits zerfällt die Gesellschaft zunehmend in Kleingruppen, die nur noch innerhalb ihrer eigenen sozialen Blase kommunizieren. Wird es dadurch schwieriger, Kunst zu machen, die alle Menschen anspricht? Also so etwas wie eine universale Sprache zu finden?

So definiere ich meinen Job nicht! Den Anspruch es allen recht zu machen – den will ich gar nicht haben! Erstens interessiert es mich nicht. Zweitens wüsste ich gar nicht, wie das technisch funktionieren soll. Soll ich eine Umfrage starten?

Und weshalb streben Sie so sehr nach Perfektion?

Was meinen Sie damit?

Galerie Mehdi Chouakri „SURF”
Ansicht der Ausstellung „SURF” in der Berliner Galerie Mehdi Chouakri, 2016. © Foto: Jan Windszus

Wer ihre Kunst betrachtet, bekommt das Gefühl, dass ihnen Präzision sehr wichtig ist. Sie brechen nicht auf halbem Weg ab, um zu sagen: „Das ist jetzt gut genug“. Oder lassen Fünfe gerade sein…

Aber das bedingt doch die Sache an sich! Was verlangen Sie von ihrem Schreiner, wenn sie einen Tisch bestellen? Wenn er ihnen ein wackeliges Ding hinstellt, sind Sie nicht zufrieden. Genauso ist es für mich in der Kunst. Mein professioneller Anspruch und Ehrgeiz verlangen es ganz einfach, das Konzept für jede Ausstellung genau zu formulieren und jede Arbeit präzise herstellen zu lassen. Alles andere will ich meinem Publikum nicht zumuten.

Ich verstehe: Es geht darum, dass der Gesamteindruck keine Irritation erzeugt.

Wenn ich zum Beispiel beim Djing den Übergang von einem Track zum anderen zu schlampig gestalte, nicht präzise hinbekomme, dann kommt jeder beim Tanzen aus dem Konzept. Dann stockt die ganze Nummer! In meinen Ausstellungen spiele ich zwar immer wieder ganz gerne mit unterschiedlichen Ideen, Inhalten, Irritationen und Ambivalenz. Diese müssen dann aber präzise gesetzt sein, um zu funktionieren und die volle Wirkung zu entfalten. In der Kunst kann man sich durchaus erlauben, dass etwas nicht eindeutig, sondern irritierend ist.

Service

Ausstellung

„Gerwald Rockenschaub reappropriation (allure / construct)“,

bis 2. Juli,

Schlossmuseum Linz

ooekultur.at

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