Die Paris Photo ist die wichtigste Messe für zeitgenössische Fotografie. Im Grand Palais Éphemère zeigt sie in diesem Jahr neben klassischen Vintage-Prints auch immer mehr mit KI generierte Werke
Von
07.11.2023
Wer sich für Fotografie interessiert, der kommt an der Paris Photo nicht vorbei. Sie ist die wichtigste jährliche Kunstmesse für das Medium und zeigt allein in diesem Herbst an über 170 Ständen, was die Museen und den Markt bewegt – vom Vintage bis zur jüngsten digitalen Kunst. Da kommt im Grand Palais Éphemère einiges zusammen, was angeschaut werden will. Wir zeigen Ihnen acht fotografische Positionen, bei denen sich das unbedingt lohnt.
Von Timm Rautert haben unzählige Studenten gelernt, was Fotografie interessant macht. Ricarda Roggan, Sebastian Stumpf oder Tobias Zielony: Sie alle sind heute erfolgreich und waren in einer der Klassen an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo Rautert bis 2008 als Professor unterrichtete. Er selbst studierte bei Otto Steiner, die originale Farbfotografie von 1967 bei Parotta Contemporary Art stammt aus jener Zeit. Sie zeigt, was Rautert vom Begründer der Subjektiven Fotografie gelernt hat: Eine objektive Wiedergabe durch die Kamera gibt es nicht. Besser, man findet sich damit ab. Verfremdet sieht die Wirklichkeit ohnehin viel besser aus.
Furore machte die Künstlerin mit einem lebensgroßen KI-Avatar nach ihrem Vorbild, der viel in Museen gezeigt wurde, aber nicht immer funktioniert. Garantiert spannend sind hingegen Louisa Clements digitale Bilder, die den Unterschied zwischen Humanem und Künstlichem aufzuheben scheinen. Ein Bild wie „Hands are tired 1“ am Stand der Düsseldorfer Galerie Kunst & Denker ist beispielhaft für ihre Strategie: Clement, Jahrgang 1987, verwendet Fragmente des Alltags und bearbeitet sie, bis die Grenzen zwischen Fotografie und Malerei verschwinden. Ihr Interesse gilt Lebensbedingungen im 21. Jahrhundert, dafür nutzt sie jede verfügbare Technik – und gewann dieses Jahr den Kunstpreis des Bonner Kunstmuseums.
Früher gab es mehr historische Fotografie auf der Paris Photo. Ein Porträt von Irving Penn, klassisch schwarz-weiß und ganz auf das Motiv fokussiert, erinnert an die Hochzeiten der Modefotografie und eines ihrer Pioniere, der ab den 1950er-Jahren stilbildend wirkte. Wobei: Schon Penn war Avantgarde in seinem Metier, pure Schönheit interessierte ihn immer weniger. Er baute Brüche ein, für die sowohl die raue Mauer im Hintergrund als auch das Fluide seines rauchenden Models stehen, dessen Geschlecht diffus bleibt. In jedem Fall beeindruckt das köperhafte Porträt allein schon wegen seiner Präsenz.
Der junge jugoslawische Künstler Damjanski geht konsequent in der digitalen Welt auf und arbeitet im Browser. Sein Interesse gilt Themen wie Macht, Partizipation etwa in kulturellen Institutionen – und der Frage, wie sich Apps für die Kunst nutzen lassen. Vor drei Jahren entwickelte Damjanski mit „Computer Goggles“ eine App, durch die man die Welt aus der Sicht einer Maschine betrachtet. Ein Bild wie „Nightswinning“ mag wie zeitgenössische Pop Art der abstrakten Fraktion wirken. Tatsächlich basiert seine Ästhetik wie alles, was den in New York lebenden Künstler beschäftigt, auf reinem Algorithmus.