In München zeigt die Highlights zum 15. Mal, welche Schätze die Historie birgt und wie gut sich Antiquitäten mit Kunst der Gegenwart mischen
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16.10.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 233
Aus Berlin bringt Martin Bruckner Skulpturen, Gemälde und Kunsthandwerk des 16. bis 19. Jahrhunderts in die Münchner Residenz. Darunter so ausgefallene museale Objekte wie eine klassizistische Doppelhenkelvase mit gebauchtem, bemaltem Milchglas-Korpus und Bronze-Marmor-Montierung, eine Nürnberger Eisenkassette des 16. Jahrhunderts sowie ein französisches Elfenbeintäfelchen aus dem 14. Jahrhundert.
Ralph Gierhards übernahm die väterliche Kunsthandlung nach Erfahrungen im internationalen Kunst- und Auktionswesen. Als klassischer Generalist umspannt sein Spektrum auch in München eine französische Schwarzlackkommode von Denis Genty mit Marmorplatte und vergoldeten Bronzebeschlägen sowie einen Frauenkopf im Profil von Emil Nolde in Aquarell und Gouache. München erweist Gierhards seine Referenz mit einer Stadtansicht von Charles Palmié in Öl um 1900 mit der Frauenkirche.
Der Kunsthandel Ehrl verfügt in Schloss Greding über 15.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Dort präsentiert er Kunst und Antiquitäten unterschiedlichster Provenienzen und Epochen. Nach München nimmt er einen reich geschnitzten englischen Wandspiegel aus dem 18. Jahrhundert mit, ein Paar russische Tazze und ein Paar Empire-Girandolen sowie einen zauberhaften Tisch mit Mikromosaikplatte. Dr. Rainer Jungbauer aus Straubing ist der Skulpturenspezialist. Jahrhundertelang hat die Kunst dem katholischen Glauben mit Madonnen, Heiligenfiguren und Kruzifixen höchster künstlerischer Strahlkraft gehuldigt, die neben zauberhaften Engeln und lieblichen Putten den Stand bevölkern.
„Höfisches“ Silber ist die Domäne der Kunsthandlung Helga Matzke. Für die Highlights hebt Experte Fred Matzke zwei Becher aus den bedeutendsten deutschen Goldschmiedemetropolen Augsburg und Nürnberg hervor: Ein schlanker Nürnberger Becher mit breit vergoldetem Lippenrand verblüfft durch seine seltene frühe Entstehung – Fachleute datieren das Prachtstück, das 28 000 Euro kostet, um 1450 bis 1470. Der Augsburger Deckelbecher mit meisterhaft gravierten Monatsdarstellungen, die auf Hans Sebald Beham aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückgehen, ist ein Werk des Augsburger Goldschmieds Caspar Wagner und entstand um 1708 (25.000 Euro). Die Firma Langeloh breitet museales Porzellan in verführerischer Fülle aus.
In zweiter Generation ist Max Lerch in München international führend im Kunsthandel mit Teppichen. Als ein Highlight nennt er einen um 1900 geknüpften englischen Tigerteppich aus Wolle in „Petit-Point“-Technik (150 x 90 cm), der wohl nach einem Vorbild aus Tibet in europäischer Machart nachempfunden wurde. Das „Kuriosum“ liegt preislich bei 12.500 Euro.
Bei den Galerien ist die klassische Moderne erstrangig museal vertreten. So sticht bei der Wiener Galerie Wienerroither & Kohlbacher ein „Stillleben mit Kalebasse“ von Karl Schmidt-Rottluff aus dem Jahr 1915 in Öl auf Leinwand (73,3 x 65,8 cm) ins Auge. Es ist im Archiv der Karl und Emy Schmidt-Rottluff-Stiftung registriert. Thole Rotermund kommt aus Hamburg mit Arbeiten auf Papier von Ernst Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky, Max Pechstein oder August Macke. Alexander Kunkel legt den Schwerpunkt auf Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen des 19. wie 20. Jahrhunderts. Mit Gabriele Münters Ölbild „Garten mit Akazien“ von 1923 (165.000 Euro), das ins Werkverzeichnis der Künstlerin aufgenommen wird, sowie Emil Noldes kraftvollem Aquarell „Zwei Menschen (Alter Mann und Jüngling)“ aus der Reihe „Phantasien“ von 1931/35 (160.000 Euro) hat er zwei absolute Blue Chips auf der Messe.
Die Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling erfüllt Wünsche vom Impressionismus bis ins Zeitgenössische. Zu ihren Highlights gehört Pablo Picassos 1920 in Gouache und Aquarell aufs Papier gezauberte „Nature morte sur un guéridon (guitare et coupe de fruits)“. Aus Salzburg kommt Thomas Salis, der ebenfalls immer auf der Tefaf vertreten ist. Aktuell nennt er für München zwei bedeutende Arbeiten aus Privatbesitz, die signierte und auf das Jahr 2000 datierte Gouache »Kleeblatt« von Sigmar Polke, die für 275 000 Euro den Besitzer wechseln könnte, sowie eine prächtige Arbeit in Wasserfarben auf Papier, ebenfalls signiert und 1954 datiert, für 35.000 Euro.
Aus London bringt Emanuel von Baeyer, dessen Schwerpunkt auf Gemälden und Arbeiten auf Papier des 15. bis 20. Jahrhunderts liegt, diesmal Skulpturen und Zeichnungen von Bildhauern nach München mit. Bei der Kölner Galerie Benden & Ackermann steht die Pop-Art im Mittelpunkt mit so beliebten Motiven wie einer spitzbusigen „Nude“ von Tom Wesselmann, einer Campell’s-Suppendose von Andy Warhol oder einem „Crying Girl“ von Roy Lichtenstein. Carola Persiehl, seit 1996 Leiterin der 1821 gegründeten Hamburger Galerie Commeter, zeigt unter anderem brandaktuelle Werke von 2024; darunter Minjung Kims Mischtechnik „Clouds“ auf traditionellem Mulberry-Hanji-Papier oder Daniel Behrendts „Geisterkreis“ in Öl auf Papier.
Bedauerlich, dass die Familie Senger, klassische Generalisten aus Bamberg, diesmal in München nicht dabei ist. Leider kommen auch zwei weitere bedeutende Tefaf-Aussteller, die Antiken-Galerie von Jean-David Cahn aus Basel und Vanderven Oriental Art (’s-Hertogenbosch), aktuell nicht in die Residenz.