In Deutschland hat Fotografie aus Afrika bislang kaum einen Markt, doch international sind immer mehr Sammler aktiv. Denn hier sind faszinierende Bildwelten zu entdecken. Und die Preise werden weiter steigen
Von
16.08.2021
/
Erschienen in
Weltkunst Nr. 153
Die kontrastreich gemusterte Bildwelt auf den Fotografien afrikanischer Künstler übt auf westliche Augen eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Vor allem die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der erst in den Neunzigerjahren wiederentdeckten Porträtisten Seydou Keïta und Malick Sidibé begeistern die Sammler. Gerade erst Ende September erzielte das Auktionshaus Artcurial für Keïtas erfolgreichstes Motiv, die um 1956 aufgenommene „Odalisque“, einen Rekordpreis von 63.700 Euro (samt Aufgeld). Doch mit dieser einflussreichen, aus der Studiotradition hervorgegangenen Stilhaltung hat sich das Spektrum der afrikanischen Bildwelten bei Weitem nicht erschöpft. Ein Blick auf das Werk jüngerer Generationen zeigt, wie differenziert Künstler auf die komplexen gesellschaftlichen Dynamiken und Praktiken reagieren.
Wer ernsthaft Fotokunst aus Afrika sammeln will, sollte schon einmal die Koffer packen. Denn der Output afrikanischer Kamerakünstler lässt sich an keinem Ort in der notwendigen Vielfalt erwerben; schon gar nicht in Deutschland. Hierzulande ist die Zahl der Galerien, die einen oder gar mehrere Künstler im Angebot haben, an wenigen Fingern einer Hand abzuzählen. Dafür jedoch hat Deutschland ein Privatmuseum zu bieten, wo man sich einen exzellenten Überblick verschaffen kann. Die Rede ist von der 2010 eröffneten Walther Collection in Burlafingen bei Neu-Ulm, einem Privatmuseum, das 2011 noch eine kleinere Dependance in New York erhielt. Als der ehemalige Wall-Street-Banker Artur Walther um 2000 eine Sammlung afrikanischer Fotokunst ins Auge fasste, begann er erst einmal, auf Reisen zu gehen. Gemeinsam mit dem nigerianisch-amerikanischen Kurator Okwui Enwezor als Berater durchquerte er den Kontinent von Kairo bis nach Südafrika, von Dakar im Westen bis nach Kenia an der Ostküste.
Afrika ist nach Asien der zweitgrößte Kontinent dieser Erde. In seinen 55 Staaten leben über 3000 Völker. Zu vielfältig sind die Kulturen, ihre Geschichten und Charaktere, als dass sich die aus ihnen hervorgegangenen Künstler über den Kamm des Afrikanischen scheren ließen. Wohl keiner der Künstler aus den Ländern südlich der Sahara, auf die wir uns hier konzentrieren, würde je auf die Idee kommen, den ganzen Kontinent zu repräsentieren. Was aber nicht bedeutet, dass sie nicht Inhalte bearbeiten, die rund um den Globus verstanden werden und relevant sind.
Es gibt eine weitere große Privatsammlung, die Contemporary African Art Collection (CAAC). Sie ist allerdings nicht auf Fotografie allein fokussiert, sondern umfasst alle Spielarten zeitgenössischer Kunst und befindet sich in einem Genfer Depot. Zusammengetragen hat sie seit 1989 der franzöisch-italienische Geschäftsmann und Erbe der Automarke Simca, Jean Pigozzi. Sein Berater und Kurator war bis 2008 André Magnin, der danach Galerist wurde.
Zuweilen ist Fotokunst aus Afrika in Firmensammlungen vertreten, vor allem in der Daimler AG, die in Südafrika ein Werk betreibt, aber auch in der Deutsche Börse Photography Foundation oder in der Deutschen Bank. Staatliche Sammlungen mit systematisch aufgebauten Beständen sucht man außerhalb Afrikas dagegen vergebens. In der Regel gelangte afrikanische Fotokunst im Zusammenhang mit zeitgenössischer Kunst in die Museen – wenn auch in überschaubarer Zahl. „Es wird sich graduell ändern, aber nicht von heute auf morgen“, erwartet Artur Walther.
Schwieriger ist die Einschätzung, wie es um Museumsbestände auf dem afrikanischen Kontinent bestellt ist. Häuser für zeitgenössische Kunst entstanden meist erst in den letzten Jahren: 2016 das MACAAL in Marrakesch sowie 2017 in Kapstadt das Zeitz MOCAA und 2018 die Norval Foundation. Es sind alles private Initiativen, ebenso die 2005 in Cotonou (Benin) gegründete Fondation Zinsou mit dem Musée de Ouidah.
Doch auch wenn sie institutionell noch kaum verankert ist, wird die Fotografie in Afrika vielerorts als breit zugängliches Ausdrucksmittel für Bildungsaufgaben eingesetzt. Workshops und Festivals leisten Pionierarbeit gerade in solchen Ländern, wo sich bislang kein Markt entwickeln konnte. Plattformen für Austausch und Vernetzung sind die Festivals und Biennalen in Dakar (Senegal), Bamako (Mali), Addis Abeba (Äthiopien) oder Lagos (Nigeria). Für Samuel Fosso etwa, ebenso für Mohamed Camara waren die 1994 ins Leben gerufenen Rencontres africaines de la photographie in Bamako Sprungbrett für ihre Karrieren.
Die unangefochten beste Infrastruktur mit international vernetzter Galerienszene bietet Südafrika. Erst nach dem Ende der Apartheid waren die Künstler aus der Isolation herausgekommen und Teil des internationalen Diskurses geworden. Angestoßen hat diese Entwicklung die Biennale von Johannesburg, die 1995, ein Jahr nach den ersten freien Wahlen, erstmals stattfand. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. David Goldblatt, die Vaterfigur der Fotokünstler am Kap, erhielt 1998 als erster Südafrikaner eine Einzelausstellung im MoMA in New York.
Die Fotokunst Südafrikas ist ein Produkt seiner Geschichte unter den Vorzeichen der Rassentrennung. Dem Künstler Pieter Hugo zufolge diente das Medium während der Apartheid vor allem dazu, die Situation der südafrikanischen Gesellschaft zu dokumentieren. „Die Fotografen betrachteten sich meist als Teil des liberalen Lagers und nutzten ihr Können, um die politische Realität darzustellen – alles andere galt als frivol.“ Ihn selbst haben Aufnahmen von Schaustellern mit furchteinflößenden Hyänen berühmt gemacht, Arbeiten, die heute auf Auktionen bis zu 50.000 Dollar erzielen.
Goldblatt, der beharrlich die Lebensbedingungen der Menschen in Südafrika aufzeichnete, war das Vorbild für viele. In einer seiner beeindruckendsten Serien, „The Transported of KwaNdebele“ von 1983, begleitete er Arbeiter, die schon nachts um drei per Bus aus den Townships zur Arbeit in der weißen Metropole Pretoria gekarrt wurden. Auch die Südafrikaner Guy Tillim, Santu Mofokeng, Jo Ractliffe oder Zwelethu Mthethwa kommen von der Dokumentarfotografie. Wie und was sie nach dem Ende der weißen Herrschaft in den Blick nahmen, zeigt aber, dass statt klarer Fronten nun komplexere Bedingungen herrschen.
Zunehmend verabschiedeten sich die Fotografen von der „Kultur des Realismus“, wie es Hugo formulierte. Sie entwickelten neue Ausdrucksformen für die Darstellung von Rasse, Klasse, Geschlechterrollen und die Beziehungen zwischen Menschen und ihren Lebensräumen.