Kunstmarkt für Silber

Mehr als nur Tafelschmuck

Silberobjekte mittlerer Güte mögen es derzeit etwas schwerer haben, aber bedeutende Arbeiten sind auf dem Kunstmarkt nach wie vor gesucht – auch als Geldanlage

Von Gloria Ehret
22.10.2021

Altes Silbergerät, das einst für den Adel und potente Patrizier geschmiedet, gegossen, vergoldet, ziseliert und graviert wurde, stellt eine wunderbare Möglichkeit dar, der heimischen Tafel Glanz zu verleihen – gerade in diesen tristen Zeiten der Pandemie. Denn funkelnder Rotwein aus einem Silberbecher oder schäumendes Bier aus einem Deckelhumpen ist ein ganz besonderer Genuss. Und die Auktionshäuser sind digital längst so gut aufgestellt, dass Covid-19 keinem Ankauf im Wege stehen sollte.

Das Kölner Auktionshaus Lempertz, das im Mai 2020 mit einem Hammerpreis von 270.000 Euro für einen Nürnberger Traubenpokal von Andreas Roßner den höchsten Silberzuschlag in Deutschland einfahren konnte, wartete auch in der Versteigerung von Kunstgewerbe im November mit einer bestens bestückten Silberofferte auf, die von Sammelobjekten der Renaissance über Tafelgeschirr des 18. Jahrhunderts bis hin zu dänischen Jensen-Objekten reichte. Dass Provenienz preisfördernd ist, zeigten zwei Nürnberger Birnpokale aus dem Besitz der Imhoff beziehungsweise Löffelholz von Kolberg, die auf 32.000 und 48.000 Euro kletterten. Und wer wollte sich nicht mit einem Achatbesteck adeln, das einst Friedrich Schiller gehörte? Auf 1200 Euro geschätzt, erzielte es 3100 Euro.

Dass Provenienz preisfördernd ist, zeigte ein Nürnberger Birnpokal aus dem Besitz der Löffelholz von Kolberg, der am 13. November 2020 bei Lempertz 48.000 Euro erzielte. © Lempertz, Köln
Dass Provenienz preisfördernd ist, zeigte ein Nürnberger Birnpokal aus dem Besitz der Löffelholz von Kolberg, der am 13. November 2020 bei Lempertz 48.000 Euro erzielte. © Lempertz, Köln

Van Ham (Köln) hatte in der Novemberauktion 2020 eine beachtliche Auswahl Tafelsilbers ab dem 18. Jahrhundert zu bieten. Ein Königsberger Münzhumpen wurde bei 8500 Euro (Taxe 8000 Euro) zugeschlagen; knapp unterhalb der Schätzungen blieben ein Paar Berliner Rokoko-Terrinen mit Présentoir (Zuschlag 14.000 Euro) und ein Empire-Tafelaufsatz aus Weimar (Zuschlag 17.000 Euro). Mit 12.000 Euro deutlich über die Taxe kletterte dagegen ein sechsteiliges Kaffee-Tee-Service mit reichem Chrysanthemen-Dekor aus Yokohama! Auch ein Augsburger Vermeil-Becher mit Diamantbuckel-Wandung überflügelte die geschätzten 400 Euro mit einem Zuschlag bei 7500 Euro deutlich. Insgesamt hielten sich Rückgänge und Verkäufe in etwa die Waage. Unter den rund 70 Silberpositionen in der Juni-Auktion des Hauses sorgte ein umfangreiches Georg-Jensen-Besteck nach einem Entwurf Johann Rohdes von 1915/17 für Aufmerksamkeit: Das nach 1945 entstandene Set erzielte 17.000 Euro.

Das Zürcher Auktionshaus Koller bietet übers Jahr Silber in allen Preisklassen für Sammler und den „gepflegt gedeckten Tisch“ an. Der Katalog der letzten März-Auktion enthielt knapp 20 Objekte. Zwar fanden drei außergewöhnliche Hamburger Stücke aus dem 17. Jahrhundert mit besten Provenienzen keinen Zuspruch – unter anderem ein prächtiger Deckelhumpen aus der Sammlung Udo und Mania Bey (Taxe 90.000 Franken). Doch gefragt waren Kerzenstöcke des 18. Jahrhunderts: Vier kleinere Nürnberger Arbeiten mit der Meistermarke „GNB“ stiegen auf 4000 Franken, ein Paar aus Den Haag mit der Meistermarke „WB“ gar von 3000 auf 10.000 Franken. Auch ein eleganter Teekessel mit Rechaud aus St. Petersburg, zwischen 1795 und 1825 gefertigt und im Stil der Zeit godroniert, überstieg die Schätzung mit dem Zuschlag bei 1700 Franken um mehr als das Doppelte.

Bei Koller waren am 25. März 2021 Kerzenstöcke des 18. Jahrhunderts gefragt: Ein Paar aus Den Haag mit der Meistermarke „WB“ kletterte von 3000 auf 10.000 Franken. © Koller, Zürich
Bei Koller waren am 25. März 2021 Kerzenstöcke des 18. Jahrhunderts gefragt: Ein Paar aus Den Haag mit der Meistermarke „WB“ kletterte von 3000 auf 10.000 Franken. © Koller, Zürich

Geradezu sensationell waren die Zuschläge, die Neumeister (München) in der Sonderauktion „Kunst im Exil. Die Wittelsbacher in Sarvar“ am 15. März für Silberobjekte erzielte. Und es gab bei den 67 Positionen keinen einzigen Rückgang! Vier Lots mit Augsburger Platten und Tellern des 18. Jahrhunderts stammten aus dem sogenannten Bamberger Service – dem Tafelsilber der Bamberger Fürstbischöfe, das 1803 im Zuge der Säkularisierung in die Münchner Residenz kam. Ein Platten-Paar stieg von 8000 auf 28.000 Euro, ein weiteres von 8000 auf 54.000 Euro. Zwei Teller kletterten von 6500 auf 20.000 Euro, sechs Teller von 20.000 auf stolze 56.000! Ein dreiflammiges Augsburger Girandolen-Paar, 1807 / 08 von Johann Alois Seethaler geschaffen, verbesserte sich mit dem Zuschlag bei 8500 Euro um 3000 Euro. Selbst ein auf nur 100 Euro geschätztes Konvolut aus Wasserkessel mit Rechaud, fünf Untersetzern und fünf Serviettenringen stieg auf 1400 Euro.

Auch Nagel (Stuttgart) konnte im Dezember mit beachtlichen Preissteigerungen aufwarten: 39.000 Euro (Taxe 9000 Euro) erzielte beispielsweise ein vergoldeter Deckelhumpen mit getriebenem Groteskendekor und Bachchus-Bekrönung, um 1586 / 90 von Cornelius Erb geschaffen.

Geradezu sensationell waren die Zuschläge, die Neumeister in der Sonderauktion „Kunst im Exil. Die Wittelsbacher in Sarvar“ am 15. März 2021 für Silberobjekte erzielte. Ein Plattenpaar aus dem sogenannten Bamberger Service stieg von 8000 auf 28.000 Euro © Neumeister, München
Geradezu sensationell waren die Zuschläge, die Neumeister in der Sonderauktion „Kunst im Exil. Die Wittelsbacher in Sarvar“ am 15. März 2021 für Silberobjekte erzielte. Ein Plattenpaar aus dem sogenannten Bamberger Service stieg von 8000 auf 28.000 Euro © Neumeister, München

Hervorragend mit Silber bestückt war eine Privatsammlung, die Scheublein (München) im September 2020 offerierte. Ein um 1670 in Augsburg entstandener Deckelhumpen von Ismael Thelott mit reichem Reliefdekor ragte aus dem Angebot heraus und wurde für 7000 Euro weitergereicht. Starlos der 41 Silber-Lots in der März-Auktion des Hauses mit Limits ab 50 Euro war eine teilvergoldete, aufwendig verzierte Schatulle mit figürlichen Reliefs, Landschafsmedaillons und Putto-Bekrönung von Heinrich Mannlich: Das um 1665 / 69 gefertigte Stück kletterte von 3600 auf 10.000 Euro. Auch ein russisches Reliquienkreuz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte mit 4500 Euro (Taxe 400 Euro) ein gutes Ergebnis.

Unter den 18 Silberpositionen, die Georg Rehm (Augsburg) im März offerierte, erzielten Augsburger Objekte beachtliche Steigerungen: Ein Leuchterpaar von Johann Philipp Heckenauer kletterte von 3500 auf 5000 Euro, ein Buckelpokal von David Roll aus der Zeit um 1608 von 2500 auf 11.500 Euro. Ein Kugelfußbecher mit Reliefdekor, der von Melchior Gelb gefertigt worden sein dürfte, erreichte 8000 Euro.

Starlos der 41 Silber-Lots in der Auktion vom 19. März 2021 bei Scheublein war eine teilvergoldete, aufwendig verzierte Schatulle von Heinrich Mannlich: Das um 1665/69 gefertigte Stück wurde von 3600 auf 10.000 Euro gehoben. © Scheublein, München; Lenz Mayer Photography
Starlos der 41 Silber-Lots in der Auktion vom 19. März 2021 bei Scheublein war eine teilvergoldete, aufwendig verzierte Schatulle von Heinrich Mannlich: Das um 1665/69 gefertigte Stück wurde von 3600 auf 10.000 Euro gehoben. © Scheublein, München; Lenz Mayer Photography

Das 1971 gegründete Hamburger Auktionshaus Kendzia versteigerte in seiner Februarauktion die Silbersammlung Bernhard Heitmanns. Und auch in der Maiauktion wurden noch viele Teile aus der Kollektion des früheren Kustos am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe angeboten, der im vergangenen Jahr verstarb. Darunter ein barocker Augsburger Deckelbecher von Philipp Stenglin aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der von 1800 auf 3900 Euro stieg.

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