Beste Qualität und Provenienz sind auf dem Markt für Porzellan nach wie vor gesucht – das bewies nicht zuletzt das Jahrhundertereignis der Oppenheimer-Auktion mit sensationellen Ergebnissen
Von
02.12.2021
/
Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 19
Selten hat die Ankündigung einer Porzellanauktion solch eine Resonanz in den Medien ausgelöst und Sammler, Museen und Händler derart in Anspannung versetzt. Mitte April gab das Auktionshaus Sotheby’s bekannt, es werde am 14. September in New York einen Großteil der legendären Berliner Sammlung von Franz und Margarethe Oppenheimer mit über einhundert überragenden Objekten aus der Frühzeit der Meissener Manufaktur versteigern. Die Kollektion, die die Oppenheimers bei der Flucht vor den Nazis zurücklassen mussten und die danach durch verschiedene Hände ging, hatte sich zuletzt zum größten Teil im Rijksmuseum in Amsterdam und anderen niederländischen Museen befunden. Zu Beginn des Jahres waren die Stücke dann an die Oppenheimer-Erben restituiert worden.
Der detaillierte Auktionskatalog, der zu Beginn der 13-tägigen Vorbesichtigung vorgelegt wurde, setzt der exquisiten Sammlung durch einen von echter Kennerschaft durchdrungenen Text der New Yorker Kunsthistorikerin Maureen Cassidy-Geiger ein bleibendes Denkmal. Bedauerlicherweise war die Auflage dieses nachgefragten Druckwerks so gering, dass sich viele Interessenten mit der Online-Ausgabe zufriedengeben müssen …
Die Auktion wurde zu einer Sternstunde für Meissener Porzellan. Die Bilanz übertraf sämtliche Erwartungen: Alle 117 Lose wurden zugeschlagen. Erzielt wurden insgesamt 15 Millionen Dollar – die Taxsumme hatte sich auf 2 Millionen belaufen. Das Rijksmuseum konnte sich sogar 61 Objekte für insgesamt 8,2 Millionen Euro zurückkaufen, dank finanzieller Unterstützung durch zahlreiche niederländische Institutionen sowie private Stifter.
Das Top-Ergebnis erzielte ein vollendet modelliertes und staffiertes Kaminuhrgehäuse, rückseitig datiert auf das Jahr 1727. Das Objekt war dem Rijksmuseum 1,3 Millionen Dollar wert (Taxe 200.000 Dollar). Ein Paar seltener Augustus-Rex-Vasen von 1725 mit unterglasurblauem Fond und filigranen Chinoiserien, die Johann Gregorius Hoeroldt zugeschrieben werden, stieg auf 1 Million Dollar (Taxe 80.000 Dollar). Ein gefußter Pokal mit überaus seltener Famille-verte-Malerei aus der Frühzeit der Manufaktur, um 1725 entstanden, kletterte von 50.000 auf 900.000 Dollar. Eine einzigartige Spülkumme von etwa 1735, die mit dem Wappen des Wittelsbachers Clemens August dekoriert ist, war einem Bieter 480.000 Dollar wert (Taxe 40.000 Dollar). Ein vorzüglich erhaltenes, im originalen Futteralkoffer präsentiertes Tee- und Kaffeeservice von 1731 mit Chinoiserien und dem Wappen der venezianischen Familie Morosini verzehnfachte seine Taxe mit einem Ergebnis von 1,1 Millionen Dollar.
Die New Yorker Auktion war ohne jeden Zweifel ein Jahrhundertereignis und ist mit ihrem außergewöhnlichen Ergebnis in die Geschichte des Kunstmarkts eingegangen. Sie kann letztlich nur mit den großen Berliner Porzellanauktionen der 1910er- und 1920er-Jahre verglichen werden, die den Oppenheimers die einmalige Möglichkeit boten, ihre exorbitante Meissen-Kollektion aufzubauen. Der hohe technische Standard und die künstlerische Perfektion der Manufaktur lassen deren Erzeugnisse nach wie vor zu teuer bezahlten Marktobjekten werden – auch wenn sie erst um 1900 gefertigt wurden. So wurde bei Christie’s New York im Rahmen der Online-Auktion „The Collector“ (5.–20. Oktober) ein Paar prachtvoller Vasen von circa 1890 mit Pâte-sur-pâte-Dekor in Vollendung angeboten, das 130.000 Dollar erzielte (Taxe 12.000 Dollar). Und auch ein Blick zurück auf die Meissen-Offerten der europäischen Auktionshäuser in den letzten zwölf Monaten – von Bonhams über Lempertz, Van Ham, Metz bis hin zu Koller – lässt erkennen, dass beste Qualität nach wie vor gesucht ist.
Bei Koller in Zürich wurde am 25. März der zweite Teil der eindrucksvollen Sammlung des großen Schweizer Porzellankenners Siegfried Ducret verauktioniert. Alle Lose erzielten beachtliche Preise und lagen durchgehend über den Schätzungen. Eine Meissener Böttgersteinzeug-Teekanne, taxiert auf 15.000 Franken, realisierte 80.000 Franken. Ein seltenes Modell eines Stadthauses aus dem Dessertaufsatz „Holländisches Dorf“ für den Grafen Heinrich von Brühl brachte 24.000 Franken (Taxe 4000 Franken).
Meissener „Tafel-Immobilien“ liegen weiterhin im Trend. Auch bei Lempertz in Köln erzielte im November 2020 ein um 1754 gefertigtes, seltenes Bauernhaus nach einem Modell von Johann Joachim Kaendler und Johann Gottlieb Ehder, versehen mit einer um 1755 gefertigten Pariser Bronzemontierung als Schreibzeug, 38.000 Euro (Taxe 6000 Euro). Eine steile Auktionskarriere machte ein 20 Zentimeter langer Meissener Löffel mit dem Wappen der Anna Maria Luisa von Medici aus der Zeit vor 1743. Mit 1000 Euro aufgerufen, war er einem deutschen Sammler 25.000 Euro wert.