Was ist ein Cadavre exquis, was unterscheidet Frottage von Grattage? Wo sind die schönsten Surrealismus-Museen, wo kann man Werke kaufen? Eine Übersicht
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25.03.2022
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 196
Vom Museum of Modern Art in New York über die Londoner Tate Modern bis hin zum Pariser Centre Pompidou oder der Menil Collection in Houston: In allen bedeutenden Moderne-Museen sind die Heroen der Bewegung mit Schlüsselbildern vertreten. In Berlin umfasst die Sammlung Scharf-Gerstenberg das ganze Spektrum fantastischer Kunst von Piranesi bis Dubuffet, und das Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch stiftete sein dem Surrealismus gewidmetes Lebenswerk der Neuen Nationalgalerie. Der Münchner Pinakothek der Moderne wurden von der Theo-Wormland-Stiftung herausragende surrealistische Klassiker anvertraut. Wer sich intensiver mit einzelnen Künstlern vertraut machen will, hat dazu im Max Ernst Museum in Brühl und im Arp Museum am Bahnhof Rolandseck bei Remagen Gelegenheit. Im opulenten Teatre-Museu Dalí im katalanischen Figueres setzte sich der Künstler mit über-schwänglichem Figurenschmuck an den Fassaden, mit Memorabilien und einer Reihe von Gemälden schon in den Sechzigern ein Denkmal. Wie er lebte und arbeitete ist in der exzentrisch eingerichteten Casa Salvador Dalí in Port Lligat bei Cadaqués sowie im ebenfalls von ihm und seiner Muse gestalteten Castell Gala Dalí in Púbol zu erleben. Gleich zwei Magritte-Stätten kann Brüssel vorweisen: Das René Magritte Museum im Wohnhaus des Malers im Vorort Jette, mit authentischen Möbeln und zahlreichen Dokumenten und Fotografien ausgestattet, ist dank des Sammlers André Garitte ein atmosphärischer Ort geblieben. In einem Barockpalais im Herzen der Stadt feiert das Magritte Museum den Künstler mit 200 permanent ausgestellten Werken. In Sint-Idesbald an der belgischen Küste beherbergt eine ehemalige Fischerkate das Paul Delvaux Museum, wo das größte Spektrum an Arbeiten des Malers zu sehen ist.
Wie sehr der Surrealismus die Kunstwelt immer noch beschäftigt, zeigt eine Reihe von Ausstellungen in diesem Jahr. „Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“ ist von April bis September in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig, ab 22. Oktober im Museum Barberini in Potsdam zu sehen, eine Werkschau von Meret Oppenheim ab 25. März in der Menil Collection in Houston. Und das Sigmund Freud Museum in Wien thematisiert in „Surreal! Vorstellung neuer Wirklichkeiten“ ab 5. Mai das Verhältnis der Kunstströmung zur Psychoanalyse.
Auf der Tefaf in Maastricht, der Art Basel in der Schweiz oder in Miami, der Frieze Masters in London, der New Yorker Armory Show oder der Art Cologne – wo der Handel seine Spitzenwerke der Moderne auffährt, sind die Chancen am größten, aber die Preise auch am höchsten. Wie Solitäre hängen die Gemälde von Miró oder Delvaux dort in den Kojen von Dickinson (London, New York), Landau Fine Art (Montreal), den Hammer Galleries (New York), der Galerien de la Béraudiere oder Berès (Paris). Im deutschsprachigen Raum gibt es ein eher schmales, aber exzellentes Angebot. Die Hamburger Galerie Levy vertritt Meret Oppenheim, in Düsseldorf sind die Galerien Ludorff und Schwarzer Anlaufstellen, einen sehr guten Bestand an Werken von Masson und Matta hat Die Galerie in Frankfurt. Die Münchner Galerie Thomas widmet sich Wifredo Lam, Max Ernst und Óscar Domínguez, und in Salzburg verfügt Thomas Salis über sehr gute Quellen. Wenn es um Papierarbeiten und Edi-tionen wie Max Ernsts spielerische Kleinbronzen geht, sei die Kölner Galerie Boisserée empfohlen. Beste Kontakte im Bereich der Zeichnungen pflegt Florian Sundheimer in München. In den Moderne-Auktionen der großen Versteigerer wie Christie’s, Sotheby’s und Bonhams, aber auch Phillips und Artcurial geht es meist um die Millionenbilder. In den Preisregionen darunter finden sich großartige Arbeiten auch in den Auktionshäusern des deutschsprachigen Raums, etwa bei Grisebach, Ketterer, Lempertz, Van Ham oder Karl & Faber, ebenso im Wiener Dorotheum oder bei Koller oder Kornfeld in der Schweiz, um nur einige zu nennen.
Für den Einstieg empfehlen sich Cathrin Klingsöhr-Leroys „Surrealismus“ (2004) oder Uwe Schneedes „Kunst des Surrealismus“ (2006). Den vielen Ausstellungen der vergangenen Jahre verdanken sich hervorragenden Publikationen, etwa „Surrealismus 1919–1944“ in Düsseldorf (2002) oder „Surreale Begegnungen“ in Hamburg (2016). Zu fast allen wichtigen Künstlern gibt es exzellente Monografien und Werkverzeichnisse, nur zu den Frauen ist die Zahl der Publikationen auffällig schmal. Einen sehr guten Überblick gibt der Frankfurter Katalog „Fantastische Frauen“ (2020). Zeitzeugenschaft ist der Trumpf von Dorothea Tannings Autobiografie „Birthday“ (1986), in der auch die Grabenkämpfe der Künstler nicht zu kurz kommen.
Hier geht’s zum Sammlerseminar Surrealismus.