Schon die Ägypter nutzten die Schönheit der Pflanzen, um Träume vom irdischen Paradies wahr zu machen. Gärten können Kunsterlebnisse für alle Sinne sein. Wir stellen Parks von Oxford bis München vor
Von
19.07.2022
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 174
Es gibt ihn, den absoluten Garten. Lancelot „Capability“ Brown, der Großmeister des englischen Landschaftsparks, plante zwischen 1730 und 1770 mehr als 150 Anlagen. Er befreite den Garten von Blumenrabatten und feierte mit seinen fein komponierten Kunst-Landschaften die Natur als oberste Instanz. In all ihren Schattierungen zelebrierte Brown die Farbe Grün, und in genialer Weise erkannte er die capabilites einer vorgefundenen Topografie zur Umgestaltung – das brachte ihm den Beinamen ein.
Brown dehnte den Garten ins Unendliche aus, sodass seine riesigen Rasenflächen in die umliegende Landschaft übergriffen, Höfe und Dörfer, Wälder und Felder Teil des Gesamtbildes wurden und wuchtige Barockpaläste wie Blenheim von Weitem aussahen wie zarte Pavillons. Künstliche Flussläufe und gestaute Seen, nicht enden wollende Rasenflächen, die den Plafond für Solitärbäume und malerisch platzierte Baumgruppen bildeten: Das sind die Elemente dieser überwältigenden Gartenkunst. Auf „Follies“ (Zierbauten, wie sie die frühen Landschaftsgärten von Charles Bridgeman oder William Kent maßgeblich prägten) verzichtete Brown. Seine Gärten machen mit großen und auch subtilen Gesten erlebbar, worin dieser Kunstcharakter besteht, nämlich allein in der Gestaltung der natürlichen Landschaft.
Keine andere Gartenform hat eine so lange Wirkgeschichte wie der Landschaftsgarten. Seit dreihundert Jahren hält sich die Vorstellung von einer idealen Natur, die sich aus Wasser, Rasen, Solitärbäumen und kleinen Wäldchen zusammensetzt. Mit unberührter Natur hat das nichts zu tun, doch selbst avancierte Ansätze von heute können sich von der Idee nicht trennen, dass ein Garten auch Landschaft ist. Der Niederländer Piet Oudolf, dessen „Neuer Naturalismus“ in aller Welt geschätzt wird, verbindet Stauden mit hohen nordamerikanischen Gräsern, die oft um runde Wasserbecken gepflanzt werden und ihre Wirkung vor allem durch die Struktur, weniger durch Farbigkeit erhalten. Wie Capability Brown suggeriert Oudolf, dass er wahre Landschaften entwirft, und dennoch sind es Kunstgebilde, die mit „echter“ Natur im Grunde wenig zu tun haben.
Die Geschichte der Gartenkunst reicht zurück ins alte Ägypten; in Europa beginnt sie mit römischen Hofgestaltungen und den mittelalterlichen Klostergärten. Doch erst die Mauren in Spanien legten den Grundstein für eine fortdauernde Gartenbegeisterung. Erstmals bezogen sie Architektur und Gartenkunst als gleichwertige Kunstgattungen aufeinander, am eindrucksvollsten in der Alhambra von Granada. Wasser als Leben spendendes Element gehörte immer dazu.
Bis zur Erfindung des Landschaftsparks grenzten alle Gartengestalter ihre Areale streng nach außen ab. In der Renaissance entstanden symmetrische, auf einen Mittelpunkt bezogene Anlagen, autark von der Umgebung, aber auch von Gebäuden. So gibt es im päpstlichen Garten der Villa Lante im Latium keinen Palazzo als Bezug. Auch die geometrischen Gärten von Villandry, in denen der Gemüsegarten mit Kohl und Salatköpfen mit Schachbrettmustern die terrassenförmige Anlage ebenso bestimmen wie der Sommer- und der Liebesgarten, haben keine ästhetische Verbindung zum Schloss.
Als André Le Nôtre – neben Capability Brown der einflussreichste Gartenarchitekt Europas – begann, in Vaux-le-Vicomte und vor allem seit 1662 in Versailles zu arbeiten, brach eine neue Zeit an. Er bezog seine Gärten axial auf das Schloss. Seitlich der Zentralachse legte er Parterres und Boskette als kleine, streng gerasterte Baumflächen an. Die Terrassen der Renaissance wurden aufgegeben, der Garten breitete sich flächig wie ein liegendes Bild über den Boden aus. Diese Prinzipien wurden weltweit aufgegriffen, etwa in der Washingtoner Mall mit ihrem unübersehbaren Bezug zum Park von Versailles. Le Nôtres große Kunst bestand darin, klare Prinzipien herauszuarbeiten, die den Sieg der Kunst über die Natur feiern, aber dennoch genügend Freiraum lassen, um nicht dogmatisch zu werden.