Kunst in den Alpen

Dem Himmel nahe

Jenseits der Baumgrenze gibt es weit mehr als Gletscher und Geröll. Vom Theaterturm auf dem Julierpass über Doug Aitkens eisiges Spiegelkabinett bei Gstaad bis zum Kirchner Museum Davos: Wir stellen die schönsten Kunstorte in den Schweizer Alpen vor

Von WELTKUNST Redaktion
22.09.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Spezial 01/2020

Trugbild im Höhenrausch

Wanderer zwischen Schönried und Gstaad trauten ihren Augen nicht: Bis März 2021 erhob sich am Wegesrand ein rundum verspiegeltes Haus, das die Landschaft irritierend verdoppelte. Geschaffen hat es der Amerikaner Doug Aitken als Teil des Festivals Elevation 1049, das zeitgenössische Kunst im Berner Oberland präsentiert. In diesem Jahr verzauberte Alicja Kwade mit einem Spiegelobjekt die Landschaft, 2023 soll das Programm des Festivals noch erweitert werden.

Doug Aitken Mirage Gstaad
Zwischen Schönried und Gstaad schuf Doug Aitken ein temporäres, rundum verspiegeltes Haus, das die Landschaft irritierend verdoppelt. © Torvioll Jashari/Doug Aitken, Mirage Gstaad, 2019/Courtesy of the Artist and Luma Foundation

Flucht auf den Zauberberg

Bis zu seinem Freitod 1938 lebte Ernst Ludwig Kirchner in den Graubündner Alpen. Dort, wo viele seiner bekanntesten Bilder entstanden, erinnert heute das Kirchner Museum Davos an ihn: Die weltweit größte Sammlung seiner Werke zeigt nicht nur die Faszination des Expressionisten für die Berge und die Bewohner von Davos, sie umfasst Arbeiten aller Schaffensperioden, etwa auch der „Brücke“-Zeit.

Kirchner Museum Davos
Die Ausstellung „Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos“ fokussiert auf die große Zeit der Davoser Sanatorien und zieht Parallelen zwischen Sport-, Medizin-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. © Kirchner Museum, Davos

Felsen, die die Welt bedeuten

Was aussieht wie eine Fotomontage, ist wohl das höchstgelegene Theater Europas. In 2300 Metern Höhe wurde es 2018 auf dem Julierpass im Kanton Graubünden errichtet. Der Julierturm wird ganzjährig bespielt und bietet 270 Zuschauern Platz. Bauherr war das Origen-Theaterfestival, das für Darbietungen an ungewöhnlichen Orten bekannt ist. Der 30 Meter hohe Turm ist aus Holz und trotzt aufgrund seiner raffinierten Konstruktion Eis und Wind. Das Vergnügen ist nur temporär – im Jahr 2023 wird der Theaterdonner in dünner Luft verhallen.

Julierturm
In 2300 Metern Höhe wurde 2018 der Julierturm auf dem Julierpass im Kanton Graubünden errichtet. © Bowie Verschuuren

Spektakel an der Baumgrenze

Im 11. Jahrhundert wurde das Wahrzeichen des Unterengadins erbaut, seit 2016 gehört Schloss Tarasp dem Schweizer Künstler Not Vital. Neben den angestammten Attraktionen wie einer markerschütternden Orgel mit 3000 Pfeifen, flämischen Gobelins sowie Rittersälen gibt es seitdem auch Ausstellungen antiker, moderner und zeitgenössischer Kunst. Besuchern steht die Trutzburg in Führungen offen.

Schloss Tarasp
Innenansicht des Schloss Tarasp im Unterengadin. © Eric Gregory Powell

Barockdesign

Ein Hort der rätoromanischen Kultur ist das Patrizierhaus in Samedan nahe dem Nobelort St. Moritz. Seine Bibliothek bewahrt das erste Druckwerk der ladinischen Literatur, Giachem Bifruns „Nouv Testamaint“ von 1560. In die barocken Prachträume der Chesa Planta zieht jährlich im Februar die kleine, aber feine Messe Nomad. Gegenwartskunst und heutiges Collectible Design trifft dann auf die aristokratische Wohnkultur von einst.

Chesa Planta Engadin Nomad Messe
Die Chesa Planta bietet Einblicke in das herrschaftliche Leben im Engadin über mehrere Jahrhunderte und beherbergt die Messe Nomad. © Chesa Planta, Samedan / Giulia Piermatiri

Der letzte Gipfel

Sieben Sommer verbrachte Friedrich Nietzsche in Sils Maria, es war seine produktivste Zeit. Heute bietet das dortige Nietzsche-Haus nicht nur Einblicke in sein wahnumwölktes Leben und Denken, es finden hier auch immer wieder Wechselausstellungen statt. Und draußen warten die Engadiner Wanderwege. Denn der Rat des Philosophen war: „So wenig als möglich sitzen“.

NIetzsche Haus Sils Maria Schweiz
Sieben Sommer verbrachte Nietzsche in der Pension in Sils Maria, heute ist das Nietzsche-Haus ein Museum. © J. Jung

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