Lediglich 200 Gemälde des Malers Theo von Brockhusen sind bekannt, sein Stil offenbart die Begeisterung für van Gogh. Die Preise auf dem Auktionsmarkt für seine ostpreußischen und märkischen Landschaften steigen
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10.10.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 14/22
Wenn persönliche Erinnerungen von Zeitgenossen verlässlich sind, wäre der ostpreußische Landschaftsmaler Theo von Brockhusen (Marggrabowa 1882–1919 Berlin) als Protagonist in einem Roman Eduard von Keyserlings sicher nicht deplatziert gewesen. In diesem Sinn stattete auch Fritz Klimsch seinen engen Freund in der Trauerrede zu dessen Begräbnis mit den standestypischen Charaktereigenschaften aus, die auch Helden des baltischen Erzählers auszeichnen – „aus einem altadligen ostpreußischen Geschlecht stammend, vorherrschend Junker, herrisch und selbstherrlich, draufgängerisch, eroberungslustig“. Gerechterweise erwähnte der Bildhauer auch weniger einschüchternde Züge, darunter Begeisterungsfähigkeit, „Weichheit und großes Zartgefühl“, und „als Bestes“ seine „unglaubliche Phantasie“.
Für seine ostpreußischen und märkischen Landschaften war der irgendwo zwischen Im- und Expressionismus zu verortende Maler mehrfach ausgezeichnet worden, und auch im Berliner Kunstbetrieb hatte er zuletzt als Präsident der „Freien Secession“ eine prominente Rolle innegehabt; trotzdem geriet er schon bald nach seinem Tod in Vergessenheit. Seine Wiederentdeckung ließ auch nach dem Zweiten Weltkrieg lange auf sich warten, und erst 1999 widmete ihm die Ostdeutsche Galerie in Regensburg eine erste Einzelausstellung, die auch im Stadtmuseum Berlin zu sehen war.
Bereits mit 15 Jahren wurde Theo von Brockhusen an der Akademie in Königsberg angenommen, wo er bei Max Schmidt, Ludwig von Dettmann und Olof Jernberg studierte. Mit Waldemar Rösler, Arthur Degner, Alfred Partikel und Franz Domscheit verband ihn in den Jahren vor seinem Umzug nach Berlin eine lockere Künstlergemeinschaft; zusammen unternahmen sie Exkursionen in die Umgebung, um ihre Motive „en pleinair“ festzuhalten. 1904 siedelte Brockhusen schließlich nach Berlin um, wo er sein Repertoire um die Landschaft der Mark Brandenburg erweiterte.
Seit 1906 nahm er regelmäßig an den Ausstellungen der Berliner Secession teil; im gleichen Jahr übernahm der einflussreiche Kunsthändler Paul Cassirer den exklusiven Vertrieb seiner Arbeiten. Eine erste Reise nach Paris folgte, und ein Aufenthalt im belgischen Seebad Knokke erschloss ihm als Sujet erstmals auch die Nordseeküste, die – wohl dank seines Vorbilds Max Liebermann – ebenfalls seine Aufmerksamkeit fand. Ab 1907 arbeitete der Künstler während der Sommermonate häufig in Baumgartenbrück am Schwielowsee. Er heiratete 1909 und besuchte Paris ein zweites Mal. Seine intensive Auseinandersetzung mit Vincent van Gogh setzte angeblich erst dort ein, und er entwickelte nun auch einen expressiveren Vortragsstil, der in der unverminderten Betonung des Zeichnerischen gleichzeitig der Gegenstandsbehandlung des 19. Jahrhunderts verpflichtet blieb.
Wunder nimmt, dass der Wahlberliner derart zeitverzögert auf den Niederländer reagiert haben soll. Immerhin hatte sein Händler Paul Cassirer an dessen Rezeption in Deutschland bereits seit der Jahrhundertwende entscheidenden Anteil, und wenigstens die Maler des progressiven Lagers einschließlich des „Brücke“-Kreises schienen von einem regelrechten van Gogh-Hype erfasst. So jedenfalls empfand es der konservative Dresdner Publizist Ferdinand Avenarius, der 1910 unter der spöttelnden Überschrift „Vom van Gogheln“ raisonnierte: „Van Gogh ist tot, aber die van Gogh-Leute leben. Und wie leben sie! Überall van Goghelt’s“. Für Brockhusen zahlte sich die Hinwendung zum „van Gogheln“ jedenfalls aus: 1910 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Berlin, drei Jahre später ermöglichte ihm der Preis der Villa Romana einen halbjährigen Aufenthalt in Florenz. Zurück in Berlin, beteiligte er sich an der Gründung der „Freien Secession“, deren Vorsitz er 1918 übernahm. Seit 1914 pflegte er im „Klein-Kurener Kreis“ der Künstlerkolonie in Nidden verstärkt auch wieder die Verbindung zu seinen alten Freunden Degner, Domscheit, Partikel und Rösler. 1915 löste der Maler seinen Vertrag mit Cassirer und ließ sich fortan von Ferdinand Möller vertreten. Im Alter von nur 37 Jahren erlag er einer Lungenkrankheit.