Gabriele Stötzer

„Die Härte, die macht was mit einem“

Ein neuer Film widmet sich den Underground-Künstlerinnen in der DDR. Wir sprachen mit der Erfurter Fotografin Gabriele Stötzer über gemeinsames Arbeiten, exzessives Weben und ihr Buch über die Stasi

Von Catherine Peter
08.11.2022

Gabriele Stötzer, geboren 1953, war in den 1980er-Jahren eine zentrale Figur des künstlerischen Undergrounds in Erfurt. 1976 engagierte sie sich gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermanns und wurde daraufhin inhaftiert. Nach ihrer einjährigen Haftstrafe widmete sie sich ganz der Kunst. Sie schrieb, malte, webte, fotografierte, drehte Experimentalfilme und gründete 1984 die sogenannte Künstlerinnengruppe. In dem Film „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“ der Regisseurin Pamela Meyer-Arndt ist Gabriele Stötzer neben Cornelia Schleime und Tina Bara eine der drei Frauen, die über ihre Erfahrungen als Künstlerin in der DDR berichten. Wir haben sie in den Räumen der Galerie Loock in Berlin getroffen.

Sie sind, im Gegensatz zu Cornelia Schleime und Tina Bara, in der DDR geblieben. Dazu gibt es ein Zitat von ihnen: „Das Bleiben ist auch eine Entscheidung, die Weigerung zu gehen“.

Bestimmte Sachen kann man nicht machen, und ich wusste, dass ich das nicht machen kann. Es gab eine Devise „zurück is’ nicht“. Und wenn man in den Westen gegangen ist, konnte man auch nicht zurück in den Osten. Man verließ nicht nur das Land, sondern auch die Eltern, die Verwandten und die Freunde und das Umfeld, und die Stadt. Alles, was bis dahin das Leben ausgemacht hatte. Ich war dagegen, dass man nicht zurück durfte. Das wollte ich denen nicht geben: zu gehen. Es gab auch eine Devise aus dem Westen: „Bleibe im Land und wehre dich täglich“. Bleiben als aktive Handlung. Um mich herum gingen alle. Das provozierte mich eben, nicht zu gehen.

Gabriele Stötzer Selbstversuch
Gabriele Stötzer „Selbstversuch vor Spiegel“, 1984 © Gabriele Stötzer, courtesy Salzgeber & Co. Medien/ VG Bild-Kunst, Bonn 2022

War das Bleiben mit einer Hoffnung verbunden?

Das ist die Frage. Habe ich wirklich daran geglaubt, dass es besser wird? Ich bin immer durch einen dunklen Abgrund gelaufen, ohne Licht zu sehen. Aber ich hatte solch ein Widerstandsgefühl gegen diese Gesellschaft, wie sie sich zeigen wollte und wie sie in Wirklichkeit war. Dazu sind wir auch noch die Generation, die mit einem wahnsinnigen Schuldbewusstsein angesichts der NS-Verbrechen aufgewachsen ist. Als ich im Gefängnis war, dachte ich, dass hast du verdient. Ich war wirklich in einem dunklen Schuldkomplex drin. Ich habe diese Schuld angenommen, aber ohne daran zu zerbrechen.

Inwieweit hat diese Erfahrung Ihre künstlerische Arbeit beeinflusst?

Die Härte, die macht was mit einem, dieses Unwiederbringliche, dadurch ist plötzlich alles etwas wert. Als ich aus dem Knast kam, wollte ich zur Kunst. Ich hatte so eine romantische Vorstellung vom Künstlerdasein. Künstler sind arm, die haben nichts, die brauchen nichts, die sind isoliert. „Brotlose Kunst“, dies hatte ich im Kopf, und dass die DDR die besten Voraussetzungen für dieses Künstlersein hatte. Diese Existenzialität, die Solidarität, und die Kreativität, sich Dinge zu besorgen. „Es gab ja nichts“, das hat uns vereint. Wir dachten immer, wir sind eins. Die DDR hat aus dir keinen Spießer gemacht.

Gabriele Stötzer „Dichterin“
Gabriele Stötzer „Dichterin“, 1984 © Gabriele Stötzer, courtesy LOOCK, Berlin/ VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Im Film erzählt Cornelia Schleime, sie wollte unbedingt in den Westen, um die Kunst im Original zu sehen. Hatten Sie diesen Wunsch damals auch?

Komischerweise wollte ich das nicht. Ich war so überzeugt, dass ich nur diesen Raum habe. Ich habe die ägyptische Kunst geliebt und gezeichnet. Aber ich kam nie auf die Idee, mal nach Ägypten zu reisen. Das verstehe ich im Nachhinein nicht von mir, dass ich so ohne Hoffnung war. Ich habe das damals aber nicht als Hoffnungslosigkeit gelebt. Nur hatte ich diese Träume nicht. Meine Umgebung war real. Ich war in diesem Machbaren. Es gab keine Illusion, mal da raus zu kommen. Ich war nicht zufrieden, manchmal total verzweifelt, aber nicht depressiv.

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