Interview mit Alexander Ochs

Auf Wandelpfaden

Ein neuer Skulpturenweg soll Chemnitz und fast vierzig Gemeinden verbinden. Alexander Ochs, Kurator des Purple Path, über die Landschaft, den Bergbau und die verbindende Kraft der Kunst

Von Lisa Zeitz
06.07.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 215

Wie kann man die Landschaft am besten erleben? Empfehlen Sie das Fahrradfahren?

Es gibt überall Radfahrer, vor allem mit Mountainbikes. Auch das berühmte Diamant-Fahrrad ist hier entwickelt worden – wieder kommt der Bergbau ins Spiel – mit einem Rahmen nach der Form eines geschliffenen Diamanten. Stellen Sie sich die Landschaft als ein sanft hügeliges Mittelgebirge vor, das man mit dem Rad überall bewältigen kann, durchzogen von wilden Bächen und Flüssen, die mal schmaler, mal breiter sind. Das Wasser war immer wichtig für die Textilindustrie. In Zschopau kann man herrliche Kanutouren machen. Einer der höchsten Punkte ist die Dittersdorfer Höhe in Amtsberg, von dort schauen Sie ins Tal bis nach Chemnitz auf die Esse von Daniel Buren. Dort wird Olaf Holzapfel eine Arbeit errichten. Als Bezugspunkt hat er eine Königlich Sächsische Triangulierungsstation gefunden, ein Thema, das ihn schon bei der Documenta 14 beschäftigte.

Es ist faszinierend, wie er mit Fachwerk arbeitet. Ein toller Künstler!

Sachse eben. (lacht) Außerdem freue ich mich auf ein Werk von Alicja Kwade in Marienberg. Die Stadt war abgebrannt und ist als Barockstadt auf einem Renaissancegrundriss wieder aufgebaut worden. In der Mitte gibt es einen riesigen quadratischen Marktplatz, für den die Künstlerin mit sächsischem Sandstein Kugeln und Quader schafft, schräg gegenüber dem werdenden Weltkulturerbezentrum.

Tanja Rochelmeyer Purple Path
Tanja Rochelmeyers Installation „Glance“ im Bahnhofstunnel in Flöha. © Ernesto Uhlmann/Purple Path/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Was plant Bettina Pousttchi, die auch auf Ihrer Liste steht?

Sie kommt nach Schwarzenberg, einen der schönsten Orte im Erzgebirge mit einer beeindruckenden künstlerischen Tradition. Brockhage hat dort gelebt. Eine spannende Geschichte: Schwarzenberg wurde bei Kriegsende 1945 von den Alliierten vergessen. Links waren die Russen, rechts die Amerikaner, und bei ihnen war niemand. Sie beschlossen, eine freie Republik zu gründen. Das war eine Fantasie: „Wir entwickeln uns ganz unabhängig von irgendwelchen Ideologien.“ Diese freie Republik hielt 42 Tage. Stefan Heym hat die Geschichte mit seinem Roman bekannt gemacht. Pousttchi wird jeweils 21 Skulpturen gegenüberstellen, mitten in der Stadt, damit erzählen wir diese Geschichte.

Michael Sailstorfer ist bekannt für spektakuläre Aktionen, was haben Sie mit ihm geplant?

2025 wird er in Zschopau, einst Zentrum der Motorrad-Industrie, mit der Geschichte dieses Orts in Dialog treten. Die ehemaligen MZ-Fabrikhallen gibt es noch, dort ist jetzt unter anderem eine Bowlingbahn untergebracht. Von einem Kran plant er Skulpturen aus Gusseisen, die in der Form wie Motorradschläuche aussehen, auf einen Parkplatz zu stürzen. Damit weist er auch auf die Verletzungen hin, die diese Branche in ihrer Geschichte erleiden musste. Die MZ wurde geliebt, war ein wichtiger Exportartikel, wechselte nach 1989 mehrfach den Besitzer, und 2009 war endgültig Schluss.

Wie viele Werke sind für den Purple Path schon entstanden?

Wir haben bisher fünf Arbeiten installiert und werden in diesem Jahr noch drei bis vier weitere installieren, von der Österreicherin Uli Aigner, dem palästinensischen Künstler Nida Sinnokrot und dem in der Türkei geborenen, in München sozialisierten Iskender Yediler, der sich mit Fabrik-Architektur und dem ehemaligen DDR-Unternehmen Esda beschäftigt. Später kommt auch die Polin Monika Sosnowska dazu, die sich mit der Industrialisierung auseinandersetzt und mit recyceltem Material aus Abbrüchen arbeiten wird.

Carl Emanuel Wolff Purple Path
Wildschweinbronzen des Bildhauers Carl Emanuel Wolff in Ehrenfriedersdorf. © Ronny Küttner/photoron/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Was könnte man diesen Sommer sehen, wenn man jetzt zu Besuch kommt?

Friedrich Kunaths bronzene Fichten in Thalheim und Tony Craggs Bronzeplastik „Stack“ im Aue-Bad Schlema sind schon installiert, auch Nevin Aladağ in Zwönitz und Carl Emanuel Wolffs Bronzewildschweine in Ehrenfriedersdorf. Tanja Rochelmeyer hat mit großer Unterstützung der Deutschen Bahn in Flöha eine tolle Arbeit gebaut. Richard Longs Steinkreis in der Kirche St. Jakobi in Chemnitz ist ebenfalls Teil des Purple Path. Uli Aigners Porzellanarbeit „One Million“, die gerade in Berlin im Museum für Ur- und Frühgeschichte zu sehen war, wird im August vor der alten Dampfbrauerei in Lößnitz enthüllt. Man kann natürlich alle diese wunderbaren kleinen und größeren Schlösser, Burgen, Kirchen und Altäre besichtigen, Bergbau-, Textil-, Papier-, Auto- und Maschinenbau-Museen besuchen, und man kann dort sehr gut essen gehen. Es gibt Thermalbäder, Saunen und riesige Naturschutzgebiete.

Was mich brennend interessiert: Wie kommt die Kunst bei den Leuten der Region an?

Super, sie wird gefeiert. Es gibt eine große parteiübergreifende Beteiligung. Wir bauen die Werke mit Leuten aus den Kommunen zusammen auf, da ist man natürlich in einem 5000- oder 10 000-Seelen-Ort sofort verankert. Die Menschen sind stolz, dann kommt zur Einweihung die Bergmannskapelle oder der Posaunenchor, und für Tony Cragg wurde sogar eine riesige Torte gebacken. So entstehen kleine Volksfeste. Alle bereiten sich auf 2025 vor, die Bürgermeister machen Englischkurse. Es wird verstanden: Wir laden die Welt ein.

Keine Anfeindung gegen die zeitgenössische Kunst?

Nein. Die Leute sagen vielleicht: „Oh, der Cragg sieht ja aus wie ein großer Schokoladenpudding.“ Sie assoziieren sehr frei mit eigenen Ideen, das ist schon mal gut. Mit Sympathie. Kein Shitstorm. Es ist wie ein Wunder. 

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