Unweit von Zürich lädt der bekannteste Landschaftsarchitekt der Schweiz in sein Baummuseum. Hier kombiniert Enzo Enea die heimische Flora mit zeitgenössischer Kunst – und lehrt wie nebenbei den Umgang mit der Natur
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21.07.2023
Das Baummuseum ist voller Verweise, ohne dass die Kunst ins rein Illustrative abgleitet. Der See gehört streng genommen zum weitläufigen Firmenareal, genau wie die Werke von Fleury und Erdman oder die Blumenwiese mit den von Olaf Nicolai erdachten Bienenstöcken im Neo-Geo-Design. Doch die Übergänge sind fließend, fast selbstverständlich wechselt man zwischen den Arrangements. Von der Straße führt eine Allee in allgegenwärtiges Grün und beugt ihre Äste so selbstverständlich über die Besucher, als wäre sie immer schon da gewesen. Das Laub spendet angenehmen Schatten, doch die eigentliche Arbeit erledigen die Bäume im Untergrund. Es handelt sich um Sumpfzypressen, der Landschaftsarchitekt hat sie gleich zu Beginn seines transformatorischen Projekts gepflanzt. Jede von ihnen saugt täglich so viel Wasser, dass sie den Boden auf ökologische Art trockenlegen.
Solche klugen Eingriffe, gepaart mit Eneas gestalterischer Konsequenz, machen das Baummuseum zu einem visionären Projekt. Schon die Insekten und Vögel, die sich hier unmittelbar neben einem Industriepark tummeln, sprechen für seinen Ansatz. Der Unternehmer ist alles andere als ein Feind von Technik, manch einer der Bäume hat seinen Weg mit dem Hubschrauber ins Museum gefunden. Doch die Sensibilisierung für den „Wert der Natur“ ist Enea mindestens so wichtig wie sein ästhetischer Anspruch.
Die großen, hellgrauen Steinblöcke, die im Baummuseum vielerorts aus dem Boden wachsen, sind eigentlich Ausschuss. Schon Eneas Vater, der 1973 mit seinem Unternehmen aus Italien in die Schweiz kam, um hier historische Terrakotta- und Sandsteintöpfe anzubieten, Gärten zu pflegen und Steinmetze mit der Restaurierung alter Gemäuer zu beauftragen, sortierte sie weg, weil sie Risse aufweisen. Nun konstrastieren sie die Natur als artifizielle Winkel und Mauern, vor denen sich die Silhouetten der Bäume entfalten: im Sommer mit ihrem Blattwerk, am Beginn des Winters als kahle Schatten. Der Sohn, der die Gartenbaufirma 1993 nach einem zweifachen Studium – als Industriedesigner und Landschaftsarchitekt – übernahm, um daraus Enea Landscape Architecture mit weltweit über 200 Mitarbeitern zu machen, unterstreicht so ihre skulpturale Schönheit: „Das Museum ist ein Ort, wo ich dem Baum die Bedeutung und Aufmerksamkeit gebe, die er verdient.“
Die teils antiken Gefäße, die sein Vater damals importierte und nicht verkauft hat, stellt Enzo heute auf dem Areal seiner Firma aus. Unter freiem Himmel, gestapelt auf überdachten Regalen. Genau wie die Bäume haben sie die Zeit überdauert. Die Größe und Formensprache jener Galerie ist schier überwältigend, sie wartet auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung. Wer immer die Aufgabe übernimmt, könnte in das Holzhaus von Kerim Seiler ziehen. „Relay“ (2012) ist architektonische Kunst und zugleich Atelier, in dem im Grünen geforscht werden kann. Auf seiner farbig gestalteten Fassade prangt mit „Ne travaillez jamais“ ein Leitsatz der Situationistischen Internationale: Keine Arbeit, reines Vergnügen! Vom künstlerischen Refugium aus ist es nur ein Sprung bis zu jenem Werk im Baummuseum, das die divergierenden Strömungen des 21. Jahrhundert scheinbar mühelos in Einklang bringt. Dort liegt ein endlos langer Baumstamm aus Bali, der versteinert ist. 20 Millionen Jahre hat diese Skulptur hinter sich – und noch alle Zeit der Welt.
Enea Baummuseum
Rapperswil-Jona, Schweiz
Öffnungszeiten:
März bis Oktober:
Mo – Fr 9 Uhr bis 18 Uhr | Sa 10 Uhr bis 17 Uhr
November bis Dezember:
Mo – Fr 9 Uhr bis 17.30 Uhr | Sa 10 Uhr bis 16 Uhr