Ob zu Hause auf der Couch oder als Weihnachtsgeschenk – Bücher gehören zum Winter. Wir haben die passende Lektüre für die gemütliche Jahreszeit: von Florian Illies über Caspar David Friedrich bis zur Kunstgeschichte ohne Männer
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22.11.2023
Unter den Wiener Mäzenen war Prinz Eugen von Savoyen der König. Mit der Fertigstellung seines Oberen Belvedere im Jahr 1723 war nicht nur ein Repräsentationsort voller Gemälde in einer barocken Gartenanlage vor den Toren der Stadt entstanden, sondern unbeabsichtigt auch das erste Pflänzchen der künftigen Wiener Museumslandschaft gesetzt. Die blüht also seit 300 Jahren (und nicht nur bei Blockbustern wie der Van-Gogh-Ausstellung 1958). Der Jubiläumsband betont die frühe Umwidmung des Belvedere in ein öffentlich zugängliches Museum 1777 durch Kaiserin Maria Theresia. Aber noch entscheidender waren die folgenden Jahre, wie Thomas W. Gaethgens in seinem Essay unterstreicht, denn Christian von Mechel entwickelte hier eine Hängung nach Schulen und chronologischer Entstehung der Gemälde, die erst zum Skandal führte und dann doch recht bald als so genial galt, dass sie vielerorts in Europa kopiert wurde
„Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst“, De Gruyter, 398 S., 49 Euro
Die Londoner Kunsthistorikerin Katy Hessel begeistert seit vier Jahren eine breite Hörerinnenschaft mit ihrem Podcast „The Great Women Artists“, in dem sie im Gespräch mit Expertinnen und Experten auf überaus mitreißende Weise Künstlerinnen der Gegenwart und Vergangenheit vorstellt. Auch ihr begleitender Instagram-Account erfreut sich zu Recht großer Beliebtheit. Jetzt hat die Kuratorin eine Geschichte der großen Künstlerinnen geschrieben, die von der Renaissancemalerin Sofonisba Anguissola und der Stilllebenmeisterin Giovanna Garzoni über die feministischen Positionen des 20. Jahrhunderts bis zu Künstlerinnen der Gegenwart wie Lynette Yiadom-Boakye oder Mickalene Thomas reicht. Das üppig bebilderte Buch gibt einen wunderbaren Überblick und ist eine längst überfällige Würdigung des Kunstschaffens von Frauen.
Katy Hessel, „The Story of Art without Men“, Piper-Verlag, 512 S., 32 Euro
In seinem neuesten Buch nimmt uns der Bestseller-Autor Daniel Schreiber mit nach Venedig. Vom Aufwachen zum Geräusch der Vaporettos und über den Besuch in der Accademia mit ihren zauberhaften Tiepolos und Veroneses und die Fahrt zur Friedhofsinsel bis zum Abendausklang auf der Dachterrasse des Centro Tedesco am Canal Grande folgen wir seinen Wegen und Gedanken, die sich vor allem um seinen verstorbenen Vater drehen. Erinnerungen an dessen Leben und Leiden und an die gemeinsame Zeit vermischen sich, wie stets bei Schreiber, mit allgemeinen Reflektionen über den Zustand der Welt und einem Grundgefühl des Verlustes: des Verlustes von Sicherheit, von Frieden, vom Glauben an die Zukunft. Wie sich trotz der Trauer Momente des Glücks und der Hoffnung einstellen, gehört zu den wertvollen Einsichten, die uns dieses Buch schenken kann.
Daniel Schreiber, Die Zeit der Verluste, Hanser Verlag, 2023, 22 Euro
Wussten Sie, dass Caspar David Friedrich Kanarienvögel gesammelt und gezeichnet hat? Oder dass den Künstler und Johann Wolfgang von Goethe eine komplexe Beziehung verband, wobei Goethe Friedrichs melancholische Kunst ablehnte? Nach Werken wie „1913: Der Sommer des Jahrhunderts“ oder „Liebe in Zeiten des Hasses“, beleuchtet Florian Illies in seiner kürzlich erschienenen Biografie das Leben und Wirken einer der Schlüsselfiguren der deutschen Romantik. In „Zauber der Stille“, das statt Kapiteln in die vier Elemente unterteilt ist, entwirft er das Bild eines Genies, das vieles konnte, nur eines nicht: Menschen malen. Illies, unter anderem Mitherausgeber der ZEIT, vermischt seine journalistischen Recherchen mit dokumentarischen Fundstücken und eigenen Bildinterpretationen, greift wissenschaftliche Zitate und historische Fakten auf und lässt seine literarische Fantasie spielen. Über Friedrich sagt er: „Er wird geliebt, gehasst und er verstört die Menschen.“
Florian Illies, „Zauber der Stille – Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“. S. Fischer Verlag 256 S., 25 Euro.