Antisemitismus in alter Kunst

Abhängen, einordnen, umbenennen?

Vorurteile und Anfeindungen erleben jüdische Menschen nicht nur im Alltag. Auch Kunstwerke transportieren seit Jahrhunderten Judenhass. Wie gehen die Museen mit diesem schwierigen Erbe um?

Von WELTKUNST REDAKTION
26.02.2024

Parallel beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe am Museum mit der Frage, wie diskriminierende und rassistische Objekte in den Ausstellungen beschriftet werden sollten. Diese diskutiert zum Beispiel, welche Erläuterungen sinnvoll und notwendig sind, ob Werke mit kritisch gesehenen Begriffen im Titel umbenannt werden dürfen oder ob Exponate aus der Ausstellung entfernt werden sollten. 

Auch die Staatlichen Museen zu Berlin sehen es als ihre Aufgabe, Werke mit explizit antisemitischen oder beleidigenden Motiven zu erforschen – und konzentrieren sich dabei auf einzelne Bereiche. „Ein großes übergreifendes Projekt wäre kaum sinnvoll, besonders angesichts der Fülle des Materials und auch der sehr unterschiedlichen Kontexte, in denen solche Motive entstanden sind und Verbreitung gefunden haben“, heißt es von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 

Antisemitische Stereotype finden sich demzufolge in der europäischen Kunstgeschichte in allen Epochen und Ländern bis ins 20. Jahrhundert. Bei zeitgenössischer Kunst sei die Problematik nicht so groß, weil die Stiftung schon seit Langem drauf achte, nur Werke in die Sammlungen aufzunehmen, die „die Vielfalt und den gegenseitigen Respekt unserer Gesellschaft widerspiegeln“, teilt diese mit.

Nicht immer eindeutig zu erkennen

Doch nicht nur die schiere Größe der Sammlungen macht es für die Museen schwierig, Antisemitismus in Kunstwerke zu identifizieren. Neben unstrittigen und klar erkennbaren Stereotypen und Vorwürfen gebe es auch weniger eindeutige, schwerer interpretierbare Darstellungen, heißt es von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. 

Manchmal sei der Antisemitismus auch subtil, nicht erkennbar in konkreten Motiven, sondern eher eine Stimmung, sagt auch Baumbauer. Dann seien sich selbst Fachleute oft nicht einig. 

Das gilt nach Ansicht von Warnecke vor allem für die Gegenwartskunst. „Die diffamierenden Symbole des Spätmittelalters sind in der Kunstgeschichte bekannt – auch diejenigen, die als Stereotype oder Stigmata bis in die 1940er-Jahre verwendet wurden“, sagt er. 

Jene, die sich in der Gegenwart entwickelt hätten, seien dagegen weniger bekannt und schwieriger zu dechiffrieren. „Daher ist davon auszugehen, dass die Unsicherheit beim Zuordnen antisemitischer Symbole größer wird, je aktueller die Bildinhalte sind“, sagt Warnecke. Nach dem documenta-Skandal habe Baden-Württemberg daher ein Förderprogramm aufgelegt, um Sammlungsverantwortliche darin zu schulen, antisemitische Codes zu erkennen.

Diskurs nur anhand ausgestellter Objekte möglich

Beim Umgang mit antisemitischen Darstellungen gibt es keine einfachen Antworten. Die Fachleute müssen immer gut abwägen, was sie zeigen und was nicht. Denn natürlich besteht die Gefahr, dass die Objekte Stereotype verfestigen und weitertragen. „Die documenta hat uns jedoch auch gezeigt, dass die Verpflichtung zur Aufklärung und der offene Diskurs bei kuratorischen Überlegungen einbezogen werden sollten“, teilen die Staatlichen Kunstsammlung Dresden mit. Beides ginge nur anhand ausgestellter Objekte. 

In Nürnberg denken Sammlungsleiter Baumbauer und sein Team noch darüber nach, wie sie das Kreuzigungs-Tafelbild und andere problematische Exponate in der Dauerausstellung am besten einordnen sollen. Aktuell weisen nur zwei Sätze auf der Texttafel neben dem Gemälde auf die Judenfeindlichkeit hin. Dort heißt es unter anderem: „Solche judenfeindlichen Bildelemente scheinen in vielen spätmittelalterlichen Gemälden auf.“ Baumgartner sagt: „Wir sind noch in der Findungsphase. Aber es ist klar, dass da was passieren muss.“ (Irena Güttel, dpa)

 

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