Nachruf

Abschied von Kazuo Katase

Ein japanischer Künstler, ein internationales Werk, ein deutscher Geist: Gedenken an Kazuo Katase, der mit 77 Jahren in Kassel verstorben ist

Von Dirk Boll
03.02.2024

Katases Schaffen vereint Symbole des Lebens

Der Drang nach Orientierung ist sicherlich ein Bedürfnis, das Kunstschaffende mit ihrer Öffentlichkeit verbindet. Und so sehen wir im Schaffen Kazuo Katases im Rückblick eine Sammlung von Werken, man könnte auch sagen von Eindrücken, vor allem aber Erklärungen des Lebens. Den existentialistischen Hintergrund dieser Ausführungen erklärt uns der Künstler in seinem Werk mit Heidegger: Es ist der Mensch, der dem Baume gleich fest verwurzelt sich zum Himmel, ins Universum öffnet. Und so zeigt das unlängst abgeschlossene Œuvre dann auch zahlreiche weitere Symbole des Lebens: Licht und Dunkelheit, die Schale als Gefäß, die Schaukel mit ihrer Bewegung und Energie, brennende Kerzen als Vanitassymbole, die wiederum mit anderen Metaphern das flüchtige Material gemeinsam haben. Wir sehen die Vergänglichkeit in der Natur, in Blumen und Schmetterlingen.

Eine Pastellmalerei von Kazuo Katase aus dem Jahr 2013
„Schale 7.8.2013“, Pastellmalerei, aus der Sammlung Dorothee und Wolfgang Schulte, Ludwigshafen. © Studio Katase

Eine Werkschau dokumentiert aber auch die Entwicklung im künstlerischen Schaffen Kazuo Katases. Im Rückblick erscheint diese in hohem Maße konsistent. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß bei aller Rationalität die Poesie des Lebens jede Beschäftigung mit ihm bestimmt. Denn als beherrschende Idee zeigt sich in seinem Schaffen Katases Vorstellung, daß ein Kontrast, vor allem ein Positiv-Negativ-Kontrast, zu einer inneren Auseinandersetzung und damit zur Wahrheitsfindung führt.

Die Fotos von Kazuo Katase gleichen mehr einer Schattenmalerei denn einem technischen Produkt

Besonders deutlich wird dies in seinen Fotografien, Produkte einer überraschend einfachen Technik. Die Negative wurden weder retuschiert noch in irgendeiner Form vom Computer bearbeitet. Die Abzüge sind des Künstlers Handarbeit auf Silbergelatinepapier: mithin eine der ältesten Techniken der Reproduktion. Die Fotos von Kazuo Katase gleichen so vielmehr einer Schattenmalerei denn einem technischen Produkt. Die Weichheit der Abzüge bewirkt eine ungeheure Tiefenwirkung, die vom Schatten zur Dreidimensionalität erweitert wird. Gleichzeitig wird der Betrachter vom Spiel der Kontraste verwirrt: Was zunächst wie ein einfacher Positivabzug aussieht, entpuppt sich als irritierendes Abbild eines dunklen Schattens.

Mit der zunehmenden Konzentration im Fortschreiten seiner Arbeit wie seines Lebens wichen im Werk Katases über Jahre die Farben einer gewissen Monochromie. Uns zeigt sich die Schönheit der Zwischentöne, deren Schöpfer sagte: „Der Reichtum der Farbe Grau kann die Wahrheit erzählen“. Das erinnert uns gleichzeitig an die Wurzeln bildnerischer Darstellung, an eine Basis, eine einfache Form der Kunst: Bleistift und Papier. Dass in den Pastellmalereien seines Spätwerks die Farben wieder vermehrt durchschienen, mag uns heute als Zeichen der Reife erscheinen. „Kunst ist Schöpfung, und damit auch ein Weg, das Chaos im Kopf zu sortieren, das Leben zu erklären“, befand Kazuo Katase. Ich denke, ein jeder kann im Schaffen Katases eine Erklärung des Lebens finden, die ihn anspricht und berührt. Kazuos hiesiges Leben endete im Januar 2024 in Kassel, was seit 1976 seine zweite Heimat geworden war. Möge seine Lichtskulptur „Blue Dancer“, die dort in zarter Bewegung die Fulda überquert, uns alle ermuntern, Balance zu suchen und zu finden. 

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