Zeitgenössische Kunst hat es zwischen Dresdens historischen Schätzen nicht immer leicht. Doch die junge Szene ist lebendig. Zu ihr gehört die Bildhauerin und Malerin Stefanie Hollerbach, die mit ihrem vielschichtigen Werk auf sich aufmerksam macht
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27.05.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 226
Sein Haus unweit der Frauenkirche hat Routine in der Kooperation mit jungen Künstlerinnen und Künstlern. Seit 2012 verbindet sich das jährliche Hegenbarth-Stipendium der Ostsächsischen Sparkasse Dresden für zwei Meisterschüler der Akademie mit einer abschließenden Ausstellung. In der „Neuen Galerie“ des städtischen Museums, einem großen Saal, trifft unmittelbar Zeitgenössisches auf Malerei der Neuen Sachlichkeit, reibt sich Performancekunst an der Romantik eines Caspar David Friedrich – nur eben separat.
Eine Intervention wie die von Stefanie Hollerbach in direkter Auseinandersetzung mit der ständigen Sammlung ist ein Novum. Doch Porstmann vertraut der Künstlerin, ist überzeugt von der „Souveränität der Formsetzung“. Er sei ein „sinnlicher Mensch“, offen für die malerischen Momente ihrer Bilder, nennt sie „eine Inspiration“ und erklärt damit seinen Impuls zur Einladung. Was genau passiert, wenn die Ausstellung im Oktober eröffnet, vermag er nicht zu sagen und wartet gespannt ab.
Was aber schon klar ist: Allein diese Intervention verhilft der jungen Kunstszene Dresdens zu mehr Öffentlichkeit. Denn die Möglichkeiten, jenseits der Kunsthochschule mit Ausstellungen in der Stadt sichtbar zu werden, sind rar. Die Zahl der Off-Spaces schrumpft, auch weil die Immobilienpreise kontinuierlich steigen. In Pandemiezeiten schlossen gleich mehrere Projekträume und Galerien, Neueröffnungen sucht man mit der Lupe – und entdeckt etwa die Käferklause in Dresden-Pieschen, die vor knapp einem Jahr von neun Studierenden der Kunstakademie gegründet wurde. Ein „Raum in Metamorphose“ mit Kunst im experimentellen und spielerischen Prozess soll sie sein.
Etwas länger gibt es das Bias im Hechtviertel. Stefanie Hollerbach hat auch hier Ende Mai eine Ausstellung. Zusammen mit der Malerin Marie Athenstaedt, die bis 2016 an der Kunstakademie studierte und zu den Gründerinnen des etablierten Dresdner Projektraums Stephanie Kelly gehört. Organisiert wird die Tandemschau im Rahmen eines zehnteiligen Projekts von Denise Ackermann. Sie gehört zum Career-Service-Team der Hochschule und überbrückt im Bias gerade eine Phase des Übergangs. „Es gab immer schon Off-Spaces mit einem Link zur Hochschule“, erzählt sie. Auf Dauer könne die Institution solche Projekte allerdings nicht stemmen. Wie nötig solche Initiativen dennoch sind, habe ihr allein die Zahl der durchweg qualitätvollen Bewerbungen gezeigt: Es hätte für 40 Ausstellungen gereicht.
Bias, von Lisa-Maria Baier und Katina Rank vor zwei Jahren für Ausstellungen von sogenannten Flinta*-Personen geschaffen, geht im Juni an ein neues Team. Fünf junge Künstlerinnen und Künstler der Akademie aus unterschiedlichen Semestern und Klassen übernehmen. Man kennt sich, trifft in Dresden ohnehin häufig aufeinander. Beworben hat sich das Quintett Theo Krauß, Sona Wolf, Noelle Bauer, Diana Bloedorn und Elena Dratva allerdings unabhängig voneinander. Noch ist es im Prozess, diskutiert in der Nummer 19 der Rudolf-Leonhard-Straße und tüftelt am künftigen Konzept. „Pinky“, das haben die fünf allerdings bereits entschieden, wird der Raum ab dem Sommer heißen.
Der Name steht für eine „junge, frische Perspektive“, sagt Noelle Bauer, er soll zeitgenössische Kunst „in die Öffentlichkeit tragen, Spannendes nach Dresden bringen und Verbindungen zur Hochschule schaffen“. Sicher, es gibt Ausstellungsmöglichkeiten im „geschützten Raum der Kunstakademie“, ergänzt Krauß, doch seien die Studierenden dort weitgehend unter sich. „Hier ist das anders, man trifft auf Leute von außen, kuratiert als Team und lernt, wie man sich gemeinsam auf künstlerische Positionen verständigt. Darauf haben wir alle große Lust.“
Zudem haben Künstlerinnen und Künstler, erklären die künftigen Pinky-Betreiber selbstbewusst, immer schon Galerien betrieben und wichtige Netzwerke aufgebaut. Für Dresdner Verhältnisse sei das Ladenlokal extrem preiswert, das Risiko überschaubar. Die Stadtverwaltung begegne dem Projekt wohlwollend, man habe bereits einen Termin für Gespräche und hoffe auf finanzielle Unterstützung. Mehr Chancen für Ausstellungsprojekte seien in Dresden auch bitter nötig. „Es gibt schon eine gewisse Frustration beim Blick auf andere Städte mit Kunsthochschulen“, konstatiert Diana Bloedorn, und Sona Wolf ergänzt: „Wir wünschen uns mehr Sichtbarkeit. Es gibt so viele Studierende an der Hochschule, die kontinuierlich sehr gute Arbeit machen.“
Bald ist Zeit zum Aufräumen, danach wird es ernst im Projektraum. Ob sie gern in Dresden leben? „Eine schwierige Frage“, meint Krauß, „darüber reden wir viel. Man muss sich Mühe geben, Spaß zu haben, die Dinge kommen nicht zu einem.“ Mit Pinky gehen sie schon mal los – und Stefanie Hollerbach, die ganz in der Nähe wohnt, wird garantiert eine treue Begleiterin.
Stefanie Hollerbach & Marie Athenstaedt
„potential gaps“
Bias FLINTA* Projects
Rudolf-Leonhard-Strasse 19, Dresden
Eröffnung: 30. Mai, 19 Uhr
Eberhard Havekost + Stefanie Hollerbach
„Das Gesicht des Wanderes“
Oktogon, Kunsthalle der HfBK Dresden
bis 23. Juni 2024