Moderne-Auktion bei Ketterer

Wiederentdeckter Jawlensky

Ketterer trumpft in seinem Evening Sale mit marktfrischen Hauptwerken der Moderne auf – Highlight ist ein Frauenporträt Alexej von Jawlenskys, das ein Jahrhundert lang in Privatbesitz war

Von Michael Lassmann
29.11.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 19

Noch im gleichen Jahr vom Direktor des Kunstmuseums Essen, Ernst Gosebruch, privat erworben, befand sich das Bild spätestens 1930 im Besitz des jüdischen Sammlers Ismar Littmann, dessen Witwe aufgrund eines Notverkaufs lediglich 350 Reichsmark dafür erzielte. Seit 1956 im Bestand des Lehmbruck-Museums in Duisburg, wurde es erst in diesem Jahr nach jahrelangen und medial aufmerksam verfolgten Auseinandersetzungen an die Erben Littmanns restituiert. Nun erstmals wieder dem Markt zugänglich, ist es – auch aufgrund der illustren Provenienz und Ausstellungsprominenz – mit 1,2 Millionen Euro veranschlagt.

35 Jahre in privater Hand war Noldes 1919 entstandene Komposition „Vogel und Georginen“. Im Gegensatz zum bildbeherrschenden Signalrot der Blumen und dem schwefeligen Gelb der Vase sticht die schwarze Vogelskulptur vor dem dunklen Fond nicht signifikant hervor, doch von untergeordneter Bedeutung für den Kompositionszusammenhang war sie dem Künstler zufolge darum nicht, der Jahre später erklärte, wie gern er in seinen Bildern solche Objekte aus seiner Sammlung „in freier, künstlerischer Art“ mit Blumen kombinierte (Taxe 400.000 Euro).

Auktion Ketterer Max Beckmann
Mindestens 400.000 Euro erwartet Ketterer für ein Tier-Motiv Max Beckmanns, von dem der Künstler sich Zeit seines Lebens niemals trennen mochte. Das Gemälde von 1930 verewigt seine Pekinesen-Dame „Majong“ und ihre Gefährtin „Chilly“, eine schwarz-weiß-gefleckte Japan-Chin-Hündin. © Kettererkunst, München

In der Offerte vertreten ist auch Noldes Lebensabschnittskollege aus den kurzen gemeinsamen „Brücke“-Tagen Ernst Ludwig Kirchner. Mit seiner in engem Bildausschnitt gegebenen Figurenszene mit leicht geschürzten Liebesdienerinnen und ihren Freiern „Im Bordell“ streifte er das im Grunde zeittypische Motiv der immer gleichen Absturz-Milieus moderner Großstädte; die vorgeschlagene Datierung 1913 für den originalen Zustand orientiert sich an einer motivisch identischen Feder / Tuschpinsel-Zeichnung aus dem gleichen Jahr. Dass Kirchner das Gemälde in seinen Davoser Jahren, aber wohl nicht vor 1920, nachträglich durch eine großzügigere Flächenbehandlung im Stil aktualisierte, ist ebenfalls nicht ungewöhnlich. Allerdings verrät die von ihm vorgenommene Vordatierung auf das Jahr 1905 allzu deutlich, dass der Maler die angemessene Rezeption seines Werks durch die Nachwelt keinesfalls dem Zufall überlassen wollte. Denn zweifellos hatte diese Korrektur den Zweck, eine im Grunde zeitgemäße Überarbeitung als unwiderlegbares Zeugnis seines zukunftsweisenden Rangs als Künstler erscheinen zu lassen. Ärgerlich nur, dass die sorgfältig gesteuerte Legendenbildung immer wieder von der pedantischen Forschung durchlöchert wird, auch wenn es der Bedeutung des Bildes letztlich keinen Abbruch tut, wie denn auch dem Schätzpreis von 400.000 Euro zu entnehmen ist.

Die gleiche Summe erwarten die Münchner für ein Tier-Motiv Max Beckmanns, von dem der Künstler sich Zeit seines Lebens niemals trennen mochte. Unter dem emotionslosen Bildtitel „Hunde“ hatte er seine Pekinesen-Dame „Majong“ und ihre Gefährtin „Chilly“, eine schwarz-weiß-gefleckte Japan-Chin-Hündin, beim täglichen Nickerchen verewigt. Der autobiografische Bezug des privaten Idylls verleiht dem anspruchslosen Motiv immerhin einigen dokumentarischen Wert, der auch den Preis erklärt.

Auktion Ketterer Erich Heckel
Erich Heckels blau leuchtende „Erzgebirgslandschaft im Winter“ soll bei Ketterer mindestens 300.000 Euro bringen – das 1914 entstandene Gemälde befand sich rund 100 Jahre lang im Besitz des Chemikers Otto Liebknecht, eines Sohns des SPD-Mitbegründers Wilhelm Liebknecht. © Kettererkunst, München

Bei seinem befreundeten Kollegen Erich Heckel tappte Franz Marc offenbar beständig im Dunkeln: „Der Sinn seiner Bilder scheint mir irgendwo ganz weit hinten in seinen Bildern zu liegen“, rätselte der deutlich irritierte Marc in einem Brief an Kandinsky. Seinem Briefpartner hätte sich die Bedeutungsebene hinter der kühlen Blautonigkeit in Heckels „Erzgebirgslandschaft im Winter“ bei Ketterer sicher auf Anhieb erschlossen: „Blau ist die typisch himmlische Farbe“, wusste er ziemlich bestimmt in seinen Betrachtungen Über das Geistige in der Kunst. „Sehr tiefgehend entwickelt das Blau das Element der Ruhe. Zum Schwarzen sinkend …“ Doch hier müssen wir Herrn Schlau aus Platzgründen leider das Wort abschneiden. Dafür liegt die Taxe aber bei vergleichsweise günstigen 300.000 Euro.

Service

AUKTION

Ketterer München,

Auktion: 10. Dezember,

Besichtigung:

Berlin 27. November bis 2. Dezember,

München 4. bis 10. Dezember

kettererkunst.de

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