Auf dem Auktionsmarkt für Asiatika stockt der Absatz im mittleren und unteren Preissegment. Doch Hochpreisiges boomt in allen Sparten – auch dank immer mehr Sammlern aus Asien
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22.11.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 17
Im alten Rom gab es sie, ab 1674 in Stockholm und ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch in London: Seit einer halben Ewigkeit drängen Menschen aufgeregt in Auktionen, verlieren oder gewinnen Bietgefechte. Aber schon mit der Erfindung des World Wide Web vor gut drei Jahrzehnten hat sich die Vermarktung von Kunst verändert. Kataloge konnten online eingesehen und Bilder verschickt werden. Und dann kam das Virus. Es wirkte wie ein Katalysator: Auktionshäuser strickten aller Orten schnell digitale Formate. Sotheby’s läutete mit Fanfaren schon im Juni 2020 die „Auktion der Zukunft“ ein – multiple Kameras und globaler Livestream in Echtzeit sollten das digitale Erlebnis so wirklichkeitsnah wie möglich gestalten. Dieser Trend setzte sich im Laufe des Jahres 2021 fort. Und er wird bleiben.
In Deutschland reklamiert Van Ham in Köln für sich, Innovationstreiber der Branche in diesem Bereich zu sein. Die eigene digitale Plattform brachte im letzten Jahr 34 Online-only-Auktionen heraus und erwirtschaftete einen satten Umsatzrekord. Der Asiatikabereich spielte hierbei jedoch kaum eine Rolle. Chinesische, japanische und buddhistische Kunst hat das Haus nämlich der Auktion „Decorative Art“ zugeschlagen. Eine bekrönte Buddhafigur des Maitreya konnte Ende letzten Jahres ihren Schätzpreis auf 68.000 Euro mehr als verachtfachen.
Weltweit waren Umsatzeinbußen aufgrund der Pandemie zu spüren, die Verkäufe gingen um mehr als 20 Prozent zurück. Asien als Handelsplatz jedoch kommt früher und schneller aus der Krise. Der von der Weltbank für China 2021 avisierte Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um 8,5 Prozent befeuert naturgemäß den Handel, natürlich auch den mit Kunst und Antiquitäten. Mittlerweile liegt Großchina hinsichtlich der Anzahl kunsthungriger und kauflustiger Milliardäre fast gleichauf mit den USA. So nimmt es nicht Wunder, dass die höchste Summe, die je bei einer Auktion in Deutschland erzielt wurde, ein asiatischer Sammler bewilligte – am 23. Juni in Stuttgart. Die bei Nagel offerierte monumentale Bronze des Todesbezwingers Vajrabhairava wurde für sensationelle 9,5 Millionen Euro zugeschlagen. Das Haus hatte das 1473 als Geschenk für Kaiser Chenghua gefertigte Bildnis des büffelköpfigen Gottes mit einem sehr moderaten Schätzpreis von einer Million Euro angesetzt. Die schiere Größe der Skulptur, ihr Goldgewicht und vor allem die besonders exzellente, weil durch Inschrift nachgewiesene kaiserliche Provenienz spielten Nagel in die Hände.
In New York versteigerte Bonhams am 23. September eine nur halb so große Statue des Yamantaka Vajrabhairava, die im Rahmen der Taxe bei 550.000 Dollar abschloss. Buddhistische Kunst war auch bei Koller in der Schweiz erfolgreich. In der Juniauktion des Zürcher Hauses konnte sich ein bunt gerahmter Thangka mit einer schwarz-weiß gehaltenen, beinahe fotorealistischen Abbildung des Thubten Gyatso stark verbessern. Die Darstellung dieses 1933 verstorbenen Dalai Lama stieg von geschätzten 25.000 auf 420.000 Franken.
Einzelne Verkäufe sorgten vielerorts für ansehnliche Ergebnisse, abzulesen bei Nagel, wo das Rekordlos grob 70 Prozent des Umsatzes erwirtschaftete. Die meisten Auktionshäuser können natürlich oft nur viel weniger eindrückliche Abschlüsse verbuchen. Auch in Stuttgart überwanden nur wenige Lose die 100.000-Euro-Linie. Eine 1946 entstandene Landschaftsansicht des hochgeschätzten Malers Lin Fengmian stieg von 30.000 auf 140.000 Euro, eine mit kräftigen Strichen getuschte Berglandschaft mit knorrigen Kiefern von Pan Tianshou erzielte 360.000 Euro (Taxe 20.000 Euro). Auch gehen im mittleren und unteren Preissegment viele Objekte zurück. Lempertz in Köln konnte in seiner Juniauktion nur gut die Hälfte der Lose absetzen. Eine birnenförmige Vase mit feinem, kupferrotem Drachendekor in kobaltblauen Wolken schraubte sich allerdings von geschätzten 30.000 auf 240.000 Euro – trotz ihres stark restaurierten Halses. Im Japanangebot kletterte das aus Buchsbaum geschnitzte Netsuke eines Hasen von 2000 auf stattliche 9000 Euro.
Chinesische Malerei des 20. Jahrhunderts steht weiterhin im Fokus der Sammler. Bei Koller landete ein Blatt des 1989 verstorbenen Li Keran, eines Schülers Qi Baishis, nach einem beachtlichen Sprung bei über 2 Millionen Franken. Gestartet war die Malerei mit dem Titel „Sonnenaufgang am Tai-Berg“ aus dem Jahr 1957 bei 150.000 Franken. In Hongkong erzielte ein Selbstporträt mit einem tibetischen Mastiff des Malers Zhang Daqian im April bei Sotheby’s umgerechnet 5,15 Millionen Euro (48 Mio. HKD). Angeboten wurde die Arbeit in der Auktion „Icons: Masterpieces from across time and space“. Kevin Ching, scheidender Asia-Chef des Hauses, beobachtet eine wachsende Zahl potenter Sammler jüngerer Generation, die auf solch gemischten Auktionen Luxusgegenstände wie Uhren, Wein, Handtaschen und eben auch Kunst erstehen.
Auch bei Christie’s in Hongkong wurden am Abend des 24. Mai in der Auktion „Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts“ aus West und Ost alle Lose abgesetzt. Eine Malerei Zhang Daqians – der auf Goldgrund gemalte „Temple at the Mountain Peak“ aus dem Jahr 1967 – schnitt dabei als bestes asiatischen Los ab. Gleichzeitig erzielte dieses Bild, das aus der Sammlung seiner engen Freunde Li Zhulai und Li Deying kam, den dritthöchsten Preis für diesen Künstler in einer Auktion: und zwar umgerechnet knapp 19 Millionen Euro (180 Mio. HKD).