Horst Janssen war nicht nur ein Bad Boy, sondern auch ein Ladies’ Man mit Beziehungen am Fließband. Das Hamburger Auktionshaus Stahl ruft zahlreiche Werke des großen Zeichners auf – und den Briefwechsel mit seiner Geliebten Viola Rackow
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14.02.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 2
Neben zwei weiteren Sammlungen versteigert Stahl am 26. Februar auch einen umfangreichen Briefwechsel des Künstlers mit Viola Rackow, die ihm für eine Reihe erotischer Zeichnungen Modell gesessen hatte; mit ihr verband ihn seit 1976 auch eine Liebesbeziehung, die nach einigen Jahren in eine Freundschaft überging. Diese Auswahl ist zugleich von hohem dokumentarischen Wert, denn rund sechzig der mit liebevollen Zeichnungen versehenen Briefe, die „Runge“ in dieser Phase der Verliebtheit an seine „Vriederich“ schickte (Kosenamen, die das Paar in Anlehnung an die Romantiker Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge füreinander gebrauchte), können zusammen mit zwanzig weiteren Blättern Janssens erstmals im Zusammenhang vorgestellt werden.
Die höchsten Erwartungen knüpft das Haus an die Mischtechnik „Vriederich ach Vriederich“ und an die mit Buntstift kolorierte Bleistiftzeichnung „Viola“. Erwartet werden für das Blatt 6000 Euro; der autobiografische Bezug des Sujets könnte sich allerdings preissteigernd auswirken. Gleiches gilt voraussichtlich auch für das folgende Los, denn Rackow ist auch eine aquarellierte Feder- und Tuschpinselzeichnung von 1977 gewidmet, die knapp zehn Jahre später in Janssens Band „Vriederich. Briefe an Viola“ veröffentlicht wurde. Möglicherweise existiert dazu noch eine spätere Fassung – dies legt zumindest ein Versprechen nahe, das handschriftlich auf dem Blatt festgehalten ist: „Dies, Vriederich, werde ich dir noch mal technisch genauer aufzeichnen“ (Taxe 3500 Euro). Ebenfalls aus den „Briefen an Viola“ bekannt ist eine weitere Buntstiftzeichnung aus dem gleichen Jahr, die mit dem gleichen Schätzpreis ins Rennen geht. Offenbar war sie aber wohl nicht als Geschenk für seine Lebensabschnittsmuse gedacht, sondern für deren Sohn Nicolaus, von Janssen wenigstens auf dem Blatt als „Nicobus“ angesprochen. Der Zusatz „1. Versuch“ lässt vermuten, dass auch dieser Arbeit wenigstens eine weitere Fassung gefolgt ist.
Einen weiteren Schwerpunkt des Auktionstages bildet die Sammlung „Norddeutsche Kunst“ mit 150 Losen zu Malern der Region, die als Mitglieder des Hamburger Künstlerclubs und der Hamburgischen Sezession überwiegend zu den fortschrittlichen Kräften des lokalen Kunstbetriebs zählten. Bei genauerem Hinsehen verfolgten sie allerdings nur eingeschränkt gemeinsame Ziele, die das gesamte Spektrum zwischen der längst akzeptierten Freilichtmalerei, dem Spätimpressionismus, Expressionismus und schließlich der Neuen Sachlichkeit abbildeten.
Ähnlich wie Horst Janssen war Arthur Illies am Anfang seiner Karriere überwiegend als Grafiker bekannt. Mangels adäquater Ausbildungsmöglichkeiten in Hamburg begann er ein Malereistudium in München, das er jedoch nach wenigen Jahren wieder abbrach, da er sich als Künstler Bildthemen seiner Heimatregion verpflichtet fühlte. Trotzdem beschickte er weiterhin die Jahresausstellungen der Berliner Secession wie auch des Münchner Glaspalasts, die ihn auch deutschlandweit bekannt machten. In welchem Umfang der im Vergleich kleine Hamburger Kunstmarkt seinen Teilnehmern ein hinreichendes Auskommen bot, ist schwer einzuschätzen; Vor seiner Berufung an die Hamburger Gewerbeschule musste Illies den vermutlich unsteten Abverkauf seiner Bilder jedenfalls durch den Unterricht an einer der privaten Malschulen abfedern, deren Geschäftsmodell auf der künstlerischen Ausbildung von meist höheren Töchtern basierte. Von ihm wird eines seiner Sylt-Motive angeboten, die überwiegend nach einem Sommeraufenthalt von 1908 des Künstlers auf der bereits damals populären Ferieninsel entstanden sind. Veranschlagt sind dafür 8000 Euro.
Vor Illies hatte bereits Ernst Eitner Hamburg verlassen müssen, um seinen Berufswunsch realisieren zu können. Nach Stationen an den Akademien von Karlsruhe, Düsseldorf und Antwerpen schien er für eine internationale Karriere gerüstet, und bereits 1894 wurde er für den Pariser Salon zugelassen. Trotzdem kehrte er in seine Vaterstadt zurück, wo er sich mit seinen von intensiver Farbigkeit geprägten Landschaftsimpressionen als wichtiger Neuerer der norddeutschen Malerei etablierte. Beim vorliegenden Gemälde handelt es sich allerdings um einen seltenen „Stehenden Akt“, dessen Wert mit 3700 Euro beziffert wird.
Stahl, Hamburg
Auktion: 26. Februar 2022
Besichtigung: 21.-25. Februar 2022