Das Museum Fünf Kontinente zeigt eine Ausstellung nordaustralischer Rindenmalereien aus der Sammlung Gerd und Helga Plewig – und eine bedeutende Schenkung für das Münchner Haus
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27.05.2022
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 199
Mit diesen Rindenmalereien aus Nordaustralien ist nicht nur das Museum der fünf Kontinente, sondern die Kunststadt München reich beschenkt. Denn die Sammlung Gerd und Helga Plewig, die mit 170 erstrangigen Rindenbildern der Aborigines aus Arnhemland und der Kimberley-Region dauerhaft ins Haus kam, zählt zu den qualitativ besten außerhalb Australiens. Die Übergabe erfolgte über die Museumsstiftung zur Förderung der Staatlichen Bayerischen Museen. Das Ehepaar lebt in München, und die Gattin stammt aus Garmisch, so bleibt ihnen die Sammlung weiterhin nah.
1969 war der junge Mediziner Gerd Plewig nach einer USA-Reise zwei Monate in Australien unterwegs. In Sydney entdeckte er in einem Schaufenster das Rindenbild eines Kängurus zum Verkauf. Es bedeutete gleichsam die Initialzündung für die Leidenschaft zu dieser Kunst. Mit dem Erwerb dieses, bis heute beeindruckenden Werkes begann Plewigs ein Vierteljahrhundert währende Sammelleidenschaft. Er kaufte nicht spontan, sondern ging gezielt nach geographischen Regionen vor und entschied sich für Künstler, die biographisch fassbar waren und sozusagen ein „Gesicht“ hatten. Längst berühmte Namen wie Yirrwala, Dick Nguleingulei Murrumurru oder Mawalan sind vertreten.
Die expressiven, stark abstrahierenden Darstellungen mit mythisch anmutenden, geisterhaften Figuren, die wohl als Vorfahren zu deuten sind und auch in Tiergestalt auftreten können, vielfigurige Szenen, die zeremonielle Feierlichkeiten darstellen, oder Sternenbilder und Landkarten, sind nach westlichen Kriterien kaum einzuordnen, deshalb aber nicht weniger fesselnd als Werke zeitgenössischer westlicher Künstler. Das von den Ahnen eingeführte sakrale Gesetz „Mardayin“ drückt sich in den Bildern aus. Den indigenen Künstlern geht es – wie der Ausstellungstitel „Inspiriert vom Land“ veranschaulicht – um das Verhältnis der Menschen zu ihrem Land und ihr Verwandtschaftssystem. Fast alle Darstellung sind rein flächig aufgefasst, ohne jede dreidimensionale Räumlichkeit. Die Darstellungen verstehen sich, wenn für uns auch nicht leicht nachvollziehbar, als Schöpfungsgeschichten der Familien, verbildlichen deren Verhältnis zu allen Arten und Formen der Natur, und verkörpern den Anspruch der Aborigines, ihr Land zu verteidigen. Welch zentrale Bedeutung Bäume für die Urbevölkerung Australiens spielen, drückt sich auch in den Baumsärgen aus, die mittlerweile selbst als Kunstwerke gesammelt werden. Dabei dient ein hohler Baumstamm den gereinigten Resten von Toten vorübergehend als Grab. Wenn diese verrottet sind, kann die Seele der Verstorbenen zurück in die Erde gelangen.
Neben Felsenmalereien und der zeremoniellen Körperbemalung nimmt die Rindenmalerei bei den Aborigines einen bedeutenden Raum ein. Viele Rindenbilder sind für die Eingeweihten als tiefgründige spirituelle Landkarten zu lesen. Die Rinden stammen vom Eukalyptusbaum. Trotz der Schälung wachsen die Eukalyptusbäume weiter und bilden neue Rindenschichten. Nach dem Schälen mit Feuer geglättet, gereinigt und aufwendig behandelt, dienen sie als Malgrund. Damit sind für die Bilder, die sowohl innen als auch außen auf die Rinden aufgetragen werden können, begrenzte Formate vorgegeben. Die Rindenmalerei wird mit Erdfarben ausgeführt. Das führt – unabhängig vom noch so exaltiert gemalten Sujet – zu farblicher Harmonie in gedeckten Braun-Weiß-Ocker-Rot- und Schwarztönen. Als früheste, von Europäern gesammelte Rindenbilder gelten jene aus den 1870er-Jahren, die aus verlassenen Schutzhütten geborgen wurden und im Museum in Sydney seit den 1910er-Jahren von Baldwin Spencer erforscht wurden. Spencer gab bis in die 1920er Jahre Rindenbilder für das Nationalmuseum of Victoria in Melburne in Auftrag. So entstand ein Markt für die Rindenmalerei, die ab den 1930ern in Arnhemland von der Mission gefördert wurde.