Rindenmalerei der Aborigines

Inspiriert vom Land

Das Museum Fünf Kontinente zeigt eine Ausstellung nordaustralischer Rindenmalereien aus der Sammlung Gerd und Helga Plewig – und eine bedeutende Schenkung für das Münchner Haus

Von Gloria Ehret
27.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 199

Mitte der 1990er-Jahre wurden die Werke der Aborigines nicht mehr nur unter ethnographischen Gesichtspunkten betrachtet, sondern als Sonderrichtung der zeitgenössischen Kunst gewürdigt. Als Folge entstanden damals in Asien, Amerika und Europa bedeutende Kollektionen mit Schwerpunkt der noch unverfälschten Arbeiten der 1950/60er-Jahre. Dazu gehört auch die Sammlung Plewig.

Seit dem internationalen Dermatologen-Kongress in Sydney im Juni 1997 stand und steht der Medizinprofessor Gerd Plewig bis heute in engem Kontakt zu Sotheby’s. Denn im selben Jahr eröffnete das Auktionshaus dort ein Department ausschließlich für die Kunst der Aborigines, das sich damit zum führenden Kunstmark-Schauplatz für diesen Sektor entwickeln sollte. In diesen Spezialversteigerungen kaufte Plewig nach eingehender Beratung mit Tim Kingender, dem Spezialisten des Hauses, das bedeutendste Rindenbild aus den produktivsten Regionen Nordaustraliens wie Kimberley, Port Keats (von den Ureinwohnern Wadeye genannt), dem Tiwi Island, Arnhemland sowie Groote Eylandt.

Bobby Barrdjaray Nganjmirras The Legend of Lumah Lumah“
Bobby Barrdjaray Nganjmirras „The Legend of Lumah Lumah“ (Ausschnitt) entstand in den frühen 1970er Jahren in Erdfarben auf Eukalyptusrinde. © Aboriginal Artists Agency Ltd., 2022

Greifen wir stellvertretend einige Künstler mit Werken namentlich heraus: Von Dick Nguleingulei Murrumurru (um 1920-1988) stammt das Hochformat-sprengende „Känguru“ aus dem Jahr 1968, die erste Erwerbung, die Plewig im folgenden Jahr in Sydney getätigt hat. Um 1971 wird ein fast quadratisches Bild desselben Künstlers datiert. Bei der dramatischen Szene „Maralaiti“ auf braunem Grund mit einer vorwiegend in Weiß gehaltenen weiblichen Figur und zwei Gestalten im Leib und weiteren, schwächter gemalten exaltierten Gestalten dahinter, wird es sich wohl um eine mythische Geburt handeln.

Bob Balirr (um 1905-1977) pflegte einen unverwechselbaren Stil mit Strichmännchen, deren Körper ein flächendeckendes Gittermuster füllt, die Gesichter im Profil mit spitzen Nasen, offenen Mündern und ausgeprägten langen krallenartigen Fingern und Zehen.

Boblag Baridjary (1915-1992) aus dem westlichen Arnhemland füllt die hochformatige Rinde mit ebenfalls flachen Gestalten, die mit ihren Gelenken an papierene Handspielpuppen erinnern.

Crocer Island vertritt Yirrwala (1897-1976). Auf rötlichbraunem Grund stellt er langgliedrige Figuren mit ausgreifenden Gesten, dünnen Armen und Beinen sowie rechenartigen Händen und sehr kleinen Köpfen mit schwarzen Augenstrichen dar. Um 1971 entstand sein Hochformat „Frog and Turtle“ in Aufsicht mit dichten Gittermustern auf den Körpern auf weißtonigem Rindengrund.

Die Rindenmalereien des nördlichen Arnhemlandes ist mehrtonig weiß-braun-ocker gehalten mit dichten Figurenszenen, die wie eine Textilstruktur wirken.

Mawalan Marika (um 1908-1967) füllt die ganze Rindenfläche mit dichten weißen texturartigen Mustern, die als Traumgebilde gedeutet werden können, in die orangefarbene Objekte, Tiere und Boot, eingefügt sind. Auch Wandjuk Marika (1927-1987) füllt die komplette Rindenfläche mit Darstellungen schwer zu deutenden Inhalts; doch erscheinen seine Rindenbilder farbenreicher, mit verschiedenen Ocker- und Rottönen, Weiß und Schwarz.

Mit der Übergabe der Sammlung nach München, wo das Ehepaar die meiste Zeit lebt, ist die Sammlung Gerd und Helga Plewig als abgeschlossen zu betrachten. Die Forderung, sie komplett zu erhalten und der Wissenschaft zugänglich zu sein, wird erfüllt. Man darf gespannt sein, welche Werke nach dem Ende dieser ersten großen Sonderausstellung mit rund 150 Rindermalereien dauerhaft gezeigt werden.

Service

AUSSTELLUNG

„Inspiriert vom Land. Rindenmalerei aus Nordaustralien. Die Sammlung Gerd und Helga Plewig“,

Museum Fünf Kontinente, München,

bis 18. September

museum-fuenf-kontinente.de

Service

Katalog

„Inspired by Country. Bark Paintings from Northern Australia“,

375 Seiten mit 171 Katalognummern, Englisch,

Hirmer Verlag München 2022

hirmerverlag.de

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