14. Gwangju Biennale

Sanfte Gewässer

„Soft and weak like water“ ist das Motto der 14. Gwangju Biennale, die noch bis zum 9. Juli im südkoreanischen Gwangju stattfindet. Jenseits des klassischen, eurozentrischen, Kunstverständnisses findet hier zeitgenössische Kunst ihre Bühne

Von Elisa Mussack & Jan Kohlhaas
05.05.2023

Im Nationalmuseum integriert sich die Biennale in die bestehende Ausstellung und sucht den Dialog mit der Geschichte. Yuki Kiharas bemalte Kimonos könnten auf den ersten Blick zur regulären Ausstellung gehören, bis man darauf  U-Boote, Unterwasserbergbau oder symbolische Überfischung  bemerkt hat. Die „Lithium Sex Demons in the Factory“ von Candice Lin kritisieren die Massenproduktion, egal ob von Lithium Batterien oder Porzellanwaren, die das Museum im oberen Stockwerk in seiner Dauerausstellung zeigt. Da verwundert es nicht, dass James T. Hongs Videoinstallation in einem eher versteckten Raum läuft: Er verbindet Aristoteles‘ Abhandlung „De Anima“ mit Bildern aus der Zeit der Corona-Pandemie in Taiwan.

Eine andere Form der Stille spürt man in Mugaksa, einem buddhistischen Tempel im zentralen Park Gwangjus. Hier zeigt Dayanita Singh ein bewegtes Foto ihrer langjährigen Begleiterin Mona Ahmed, die sie kennenlernte, als sie über Monas Kastration und Transition zum Eunuchen berichten wollte.

Südwestlich vom Zentrum bildet das Artspace House, ein traditionelles koreanisches Familienhaus (Hanok), einen intimen Rahmen für den 60-minütigen Film von Naeem Mohaiemen, in dem ein entfremdetes Ehepaar auf den Tod der Ehefrau zugeht. Nicht weit davon entfernt widmen sich die Werke im Horanggasy Artpolygon dagegen den großen zeitgenössischen Fragen, der Auseinandersetzung mit der Natur und der Frage, was Leben eigentlich ausmacht. Die kinetischen Installationen von Yuko Mohri bilden ein eigenständiges Ökosystem, bewegt durch Wind, Regen und ihre gegenseitige Beeinflussung. Im Keller versteckt sich mit „So long, and thank you for all the fish“ der in Berlin lebenden Künstlerin Anne Duk Hee Jordan eines der Highlights der Biennale: eine in Schwarzlicht getauchte, verspiegelte Unterwasserwelt, in der robotische Wesen Unruhe stiften. Und in ihrer Niedlichkeit auch unauffällig überwachen, wie nahe ihnen die Gäste kommen.

Anne Duk Hee Jordan So long, and thank you for all the fish
Anne Duk Hee Jordan entwirft mit „So long, and thank you for all the fish“ eine in Schwarzlicht getauchte, verspiegelte Unterwasserwelt, in der robotische Wesen Unruhe stiften. © Courtesy the artist and Gwangju Biennale Foundation

Zwischen Artspace House und dem Artpolygon am Fuß des Yangnim-Bergs lassen sich die meisten der Pavillons erlaufen: China widmet sich ganz dem Bambus in verschiedenen Stilen und Medien. Die kanadische Auswahl steckt sich einen engen Rahmen und zeigt nur Werke indigener Künstler und Künstlerinnen, die 2022 in Kinngait entstanden sind, und erlaubt damit Breite für Technik und Sujets. Die Schweizer Fotoausstellung „Spacelessness“ nimmt den urbanen Raum in den Fokus. Der ukrainische und polnische Pavillon werden im Mai dazu kommen.

Fast schon weit abgeschieden wirkt dagegen der italienische Pavillon, der sich in der Nähe des Fernbahnhofs im Untergeschoss des privaten Dong-gok Museums verbirgt. Hier wird am wörtlichsten auf das Biennale-Motto eingegangen und die Antwort auf die Frage gesucht, „che cosa sogna l’acqua quando dorme“ – wovon träumt das Wasser, wenn es schläft? Die Antworten von Marco Barottis mechanischen Muscheln oder Yuval Avitals „Foreign Bodies“ sind sicher nicht das, was Laozi beim Aufschreiben des Daodejing im Sinn hatte, weisen aber mit und ohne virtueller Unterstützung durch eine begleitende App den Weg in eine andere Vorstellungen der Wirklichkeit.

Oum Jeongsoon Elephant without Trunk
Die Arbeit „Elephant without Trunk“ der Künstlerin Oum Jeongsoon fordert dazu auf, sich mit der Fragmenthaftigkeit der eigenen Wahrnehmung auseinanderzusetzen. © Courtesy the artist and Gwangju Biennale Foundation

Neben der Rekordzahl der Pavillons gab es dieses Jahr in Gwangju eine weitere Neuerung: benannt nach dem Vogel der Stadt wurde erstmalig die Goldene Taube verliehen. Das Preisgeld von jährlich 100.000 Dollar wurde vom südkoreanischen Künstler Park Seo-Bo gestiftet, was natürlich – ganz Gwangju – zu Protesten bei der Preisverleihung geführt hat, da solche Preise nur Kunstschaffenden helfen, die es durch den Filter der Biennale-Leitung geschafft haben. Die internationale schwergewichtig besetzte Jury, in der unter der Leitung von Frances Morris, der Direktorin der Tate Modern, auch Carolyn Christov-Bakargiev vom Castello di Rivoli Museum und Mami Kataoka vom Mori Art Museum vertreten waren, zeichnete ein Werk aus, das die Reise eines Elefanten nachvollzieht, der vor 600 Jahren von Indonesien nach Korea gekommen war. Die Künstlerin Oum Jeongsoon reiste ihm hinterher, und ihr „Elephant without Trunk“ fordert dazu auf, sich mit der Fragmenthaftigkeit der eigenen Wahrnehmung auseinanderzusetzen. Die Auseinandersetzung findet hier nicht nur visuell statt, das Publikum ist eingeladen, die zusammen mit sehbehinderten Menschen entworfene weiße Elefantenskulptur ebenfalls taktil zu erfahren. Um die „don’t touch“ Kennzeichnung an den anderen Skulpturen zu erkennen, sollte man allerdings hervorragende Sicht haben.

Man darf gespannt sein, welches Werk bei der nächsten Auflage der Gwangju-Biennale die zweite Goldene Taube erstreiten wird. Bereits im September 2024 findet die Biennale zum 15. Mal statt, pünktlich zum 30-jährigen Bestehen der ausrichtenden Stiftung. Diese kommende Auflage soll noch größer werden: bereits jetzt wird mit 20 Länderpavillons geplant. Dabei geht es den Verantwortlichen um einen noch größeren Preis, der sich weder in kleinen Schritten noch mit der Sanftmut einer Taube erkämpfen lässt: Sich im Wettstreit der verschiedenen asiatischen Bi- und Triennalen als östliches Gegengewicht zu Venedig zu etablieren.

Service

Ausstellungen

14. Gwangju Biennale,

Gwanju, Südkorea,

bis 9. Juli

Zur Startseite