Die Bundeskunsthalle Bonn würdigt Josephine Baker als Ikone der Performance – und vor allem als unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus und für Menschenrechte
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26.06.2023
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 214
In fünf Autobiografien versuchte Josephine Baker, die Deutungshoheit über ihre Vita zu behalten, mit immer anderen Erzählungen ihrer Geschichte. Zudem entwickelte sie früh eine Strategie zur Etablierung der „Marke Baker“. Bereits 1926 eröffnete sie ihren Club Chez Joséphine im Montmartre-Viertel. Außerdem gab sie ihren Namen und ihr Aussehen für diverse Kosmetikprodukte her, wie die Pomade „Bakerfix“ oder eine „Bakerlotion“. Unterstützt wurde sie dabei von Pepito Abatino, einem Steinmetz aus Sizilien, der sich als Graf Di Albertini ausgab und an ihrer Seite ihr Manager wurde, zuständig für das Marketing und ihr Image. Dazu passte es, dass sie sich einen Geparden namens Chiquita als Haustier hielt und überhaupt ihren extravaganten Lebensstil ausstellte.
Ein Gastspiel in Wien wurde 1928 zum Auftakt ihrer ersten Welttournee. Aber, so ist im Katalog zu lesen: „Die kulturkonservativen Kreise waren empört. In Wien läuteten bei ihrer Ankunft die Glocken der Paulanerkirche, um vor dem „schwarzen Teufel“ zu warnen.“ Es kam dennoch zur Vorstellung im Johann Strauß-Theater, das Publikum war entzückt. In Berlin waren der Regisseur Max Reinhardt wie auch der umtriebige Kunstsammler und Autor Harry Graf Kessler von ihr fasziniert. Ihr Auftritt im Theater des Westens wurde zur Sensation. Doch schon am Tag der Premiere von „La Revue Nègre“ fand eine Demonstration gegen „Schwarze“ statt, mit der sich der erstarkende Nationalsozialismus ankündigte, der sie verfemen wird. Dennoch kehrte Josephine Baker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin zurück, in den Westen und Osten der geteilten Stadt.
Die Bonner Bundeskunsthalle legt den Akzent weniger auf biografische Details, es geht vor allem um Josephine Bakers lebenslanges Engagement als Aktivistin gegen Rassismus und Sexismus, als Kämpferin für das freie Frankreich im Zweiten Weltkrieg und als Menschenrechtlerin. Gezeigt werden historische Dokumente, Fotografien und Filmausschnitte, die ihr Nachwirken bis in die Gegenwart hinein belegen. Entsprechend spielt der Untertitel der Schau „Freiheit – Gleichheit – Menschlichkeit“ auf die Werte der Französischen Revolution an, liberté, égalité, fraternité. Kuratiert ist sie von Katharina Chrubasik und Mona Horncastle, deren 2020 erschienene Biografie „Josephine Baker. Weltstar. Freiheitskämpferin. Ikone“ maßgeblich in die Präsentation eingeflossen ist.
Durchaus unter Lebensgefahr setzte sie sich als Résistance-Kämpferin in Frankreich ein und agierte für das Deuxième Bureau, die französische Spionageabwehrzentrale. Als Propagandaoffizier erhielt sie den Rang eines sous-lieutenant. Ihre Wahlheimat ernannte sie 1957 zum Chevalier der Légion d’honneur. Als Martin Luther King am 28. August 1963 den friedlichen Marsch auf Washington anführte, bei dem er seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt, zur Unterstützung der Bürgerrechtsgesetzgebung des Präsidenten John F. Kennedy, trat dort auch Josephine Baker als Sprecherin auf.
Um die Idee einer friedvollen Koexistenz zu verwirklichen, adoptierte sie zusammen mit ihrem Orchesterleiter Jo Bouillon, den sie 1947 geheiratet hatte, zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft. Mit ihrer in Anspielung an ihre eigenen Wurzeln „Rainbow Tribe“ genannten Familie lebte sie auf Schloss Les Milandes in der Dordogne. Als ihre finanziellen Ressourcen erschöpft waren und das Anwesen zwangsversteigert wurde, gab ihr die amerikanische Schauspielerin Grace Kelly, mit der sie befreundet war und die inzwischen Fürstin Gracia Patricia hieß, ein Heim für sie und die Kinder in Monaco. Dort liegt sie auch begraben.