Josephine Baker

Parodie und Protest

Die Bundeskunsthalle Bonn würdigt Josephine Baker als Ikone der Performance – und vor allem als unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus und für Menschenrechte

Von Rose-Maria Gropp
26.06.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 214

Josephine Baker ist den steinigen Weg von der Ausgrenzung als schwarze Frau über das „exotische“ Dancing Girl zur bis heute unerreichten Diva gegangen. In ihrer am Ende fünf Jahrzehnte währenden Bühnenpräsenz hat sie jede Chance genutzt, ihre Berühmtheit in den Dienst des Ideals einer in Menschlichkeit versöhnten Welt zu stellen. Auch das machte sie zum Vorbild für Performerinnen mit afroamerikanischen Wurzeln wie Diana Ross oder Tina Turner, deren Tanzstil ohne sie nicht denkbar wäre. Als Beyoncé 2006, aus Anlass des 100. Geburtstags von Josephine Baker, ihre Version eines „Banana Skirt Dance“ aufführte, wurde in dieser Hommage der Bananen-Schurz unübersehbar zum Symbol eines fortdauernden Aufbruchs. Nachdem Josephine Baker mit ihrer forcierten Theatralik jahrelang als Leitfigur homosexueller Männer galt, erkennt sich inzwischen in ihrer Unangepasstheit, ihrer gelebten Bisexualität die weltweite LGBTQ-Community wieder.

Julius Klinger Elefant Josephine Baker
Der Elefant von Julius Klinger, mit dem Baker in den 1920er-Jahren für Fotoaufnahmen posierte, kam im Auktionshaus Im Kinsky zum Aufruf. © Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien

Den Höhepunkt ihrer postumen Anerkennung bildete ihre Aufnahme in das Panthéon in Paris 2021, Frankreichs Ruhmeshalle. (Voraussetzung dafür war die französische Staatsbürgerschaft, die sie 1937 durch ihre kurze Ehe mit dem Industriellen Jean Lion erwarb.) Sie ist dort erst die sechste – und die erste nicht weiße – Frau im Rang einer französischen Nationalheldin, und sie ist in interessanter Gesellschaft: Im Ruhmestempel der „großen Franzosen“ wurde als Erste 1907 Sophie Berthelot mit ihrem Mann, dem Chemiker Marcellin Berthelot beigesetzt. Erst 1995 wurden dann die sterblichen Überreste der Physikerin Marie Curie ins Panthéon überführt, es folgten Geneviève de Gaulle-Anthonioz und Germaine Tillion, die beide in der Résistance gekämpft hatten, und die Parlamentarierin Simone Veil. Josephine Bakers Überführung war ein symbolischer Akt, im Sarg des Panthéon befindet sich Erde aus ihrer Heimatstadt St. Louis, aus Paris, vom Garten ihres Schlosses Les Milandes und aus Monaco. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat sehr gut gewusst, welches politische und gesellschaftliche Zeichen er mit diesem Staatsakt setzte.

1975 feierte Josephine Baker ihr fünfzigjähriges Bühnenjubiläum im Pariser Revuetheater Bobino. In Bonn ist das rosafarbene Glitzerkleid zu sehen, das sie beim letzten Lied dieses Abends trug, „Paris Paname“ („großartiges Paris“), ihre Liebeserklärung an die Stadt, die einst ihre zweite Heimat geworden war – auf Youtube lässt sich ein Mittschnitt hören. Vier Tage später, am 12. April, starb sie an einer Gehirnblutung.

Ihre Stimme war mit den Jahren immer aufregender geworden. Die Intensität, die Josephine Baker ein Leben lang antrieb, vibrierte darin, als sie 1973 zwei Tage nach ihrem 67. Geburtstag in New Yorks Carnegie Hall „The Times They Are a-Changin’“ sang: Bob Dylans zornigen Protestsong, geschrieben zehn Jahre zuvor und nach der Ermordung von John F. Kennedy, an den die amerikanische Bürgerrechtsbewegung so viele Hoffnungen geknüpft hatte. Josephine Baker machte das Lied zu einer anderen, einer bitteren Hymne. Sie legte noch einmal jene Kraft hinein, die sie ihre unermüdliche Ermächtigung gekostet hat. Das ist ihr Vermächtnis, die ultimative Performance ihres Lebens.

Service

AUSSTELLUNG

„Josephine Baker. Freiheit – Gleichheit – Menschlichkeit“,

Bundeskunsthalle, Bonn,

bis 24. September

bundeskunsthalle.de

 

Zur Startseite