Einsame Spitze: Zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich huldigen gleich mehrere große Ausstellungen dem berühmtesten deutschen Maler. Ein Überblick
Von
02.01.2024
/
Erschienen in
Weltkunst Nr. 222
Friedrichs Eigensinn schimmert bereits in frühen Jahren durch. Sich in so einer beengten Umgebung für die „brotlose Kunst“ zu entscheiden, statt „anständig“ Seife zu sieden, setzt ein gehöriges Maß an Sturheit voraus. In Greifswald lernt er von 1790 bis 1794 beim Zeichenlehrer Quistorp das sorgfältige Kopieren und erhält Unterricht in Perspektive und Entwurfszeichnung. Das kommt ihm später zugute, denn Friedrichs Bilder sind alles andere als der reine Malrausch. Meist verbergen sich hinter ihren dramatischen Effekten mathematisch genaue Berechnungen – stets liegen im Atelier Dreieck, Lineal und Reißschiene bereit, um den perfekten Goldenen Schnitt zu errechnen.
Von Greifswald geht es weiter an die Akademie nach Kopenhagen und dann nach Dresden, wo sich Friedrich dauerhaft niederlässt. Mit seiner Heimat bleibt er aber lebenslang verbunden, er besucht die Familie und wandert an der Ostsee. Viele seiner Bilder sind jedoch nicht hiergeblieben, neben sechs Gemälden verwahrt das Pommersche Landesmuseum Zeichnungen und Druckgrafiken, auf denen man zum Teil dem noch ganz jungen Friedrich begegnet. Trotzdem legt man sich hier 2024 mächtig ins Zeug und stemmt gleich drei übers Jahr verteilte Sonderausstellungen, wobei erstmals auch die „Kreidefelsen auf Rügen“, nunmehr im schweizerischen Winterthur zu Hause, in ihrer Heimatregion zu sehen sind.
Gut zweieinhalb Stunden sind es mit der Bahn von Greifswald nach Berlin, wo ab 19. April in der Alten Nationalgalerie die Blockbuster-Schau „Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften“ eröffnet. Um Berlin hat Friedrich zeitlebens einen großen Bogen gemacht, dennoch ist diese Stadt für sein Werk enorm wichtig. Denn hier begann, 66 Jahre nach seinem Tod, sein vorher nur kurzzeitig flimmernder Stern so hell zu leuchten, dass er bis heute das ganze 19. Jahrhundert überstrahlt. Die „Deutsche Jahrhundertausstellung“, die 1906, auch damals schon in der Nationalgalerie, einen frischen Blick auf das vergangene Säkulum warf, vereinte gleich 93 Gemälde und Zeichnungen des damals weitgehend vergessenen Künstlers. Dank akribischer Recherchen des Norwegers Andreas Aubert waren diese Werke in den Jahren zuvor zusammengetragen worden. Die Museumsdirektoren Alfred Lichtwark (Hamburg), Hugo von Tschudi (Berlin) und Woldemar von Seidlitz (Dresden) hoben sie nun gemeinsam aufs Podest und präsentierten Friedrich als spektakuläre Wiederentdeckung.
Diese zentrale Rolle der Nationalgalerie für seinen Nachruhm, die mit späteren Ausstellungen und Ankäufen noch ausgebaut wird, ist das beherrschende Thema der Schau, die mit ikonischen Werken wie dem „Mönch am Meer“, dem „Watzmann“ oder der „Frau am Fenster“ auftrumpft. Ab August ist dann Dresden im Friedrich-Fieber. Der Ausstellungstitel „Wo alles begann“ zeugt von einer gewissen sächsischen Chuzpe, ist aber faktisch gerechtfertigt. In Dresden wird Friedrich, der erst mit Anfang Dreißig ernsthaft mit der Ölmalerei beginnt, zu dem Maler, den wir heute verehren. Hier entwickelt er, geschult an akademischen Vorbildern und inspiriert von seinen Wanderungen in die Umgebung, seinen meisterlichen Stil. An dem hält er unbeirrbar fest, auch wenn die Käufer zunehmend nach helleren, lieblicheren Landschaften verlangen. Mehr als 40 Jahre bildet Dresden seinen Lebensmittelpunkt, hier findet der kauzige, hagere Pommer mit dem rötlichen Backenbart in Caroline Bommer sogar die späte große Liebe und wird Familienvater. Seine Adresse lautet „An der Elbe 33“; jeden Tag, wenn die Sonne sich ankündigt oder verabschiedet, bricht er von dort zu seinen Spaziergängen auf, in dem geliebten, dämmrigen Zwielicht.
Wichtige Freundschaften schließt er hier, ja, um den etwas menschenscheuen Maler bildet sich so etwas wie ein Netzwerk, zu dem der Arzt, Maler und Psychologe Carl Gustav Carus und der junge norwegische Maler Johan Clausen Dahl zählen. Dresden war zu jener Zeit ein wichtiges Zentrum der Romantik, einer kulturellen Strömung, die den rationalen Geist der Aufklärung mit einer Hinwendung zur Innerlichkeit, zum Spekulativen, ästhetisch Verzauberten bereichern wollte. Von alldem wird die Ausstellung im Albertinum erzählen und ihre grandiosen Bilder zeigen, darunter den „Tetschener Altar“, die erste Ikone der neuen Verbindung von Natur und Religion, oder „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, das rührende Dokument der engen Beziehung von Friedrich zu seinem Schüler August Heinrich.
Am Ende des Jahres lohnt sich dann ein Ausflug nach Weimar, wo ab 22. November das Kapitel Friedrich und Goethe beleuchtet wird. Der Dichter darf als der erste wichtige Förderer Friedrichs gelten. 1805 gewinnt Friedrich zur Hälfte den Hauptpreis der von Goethe ausgeschriebenen Weimarer Preisaufgabe, was ihm Reputation in den höchsten Kreisen verschafft. Friedrich kann sein Glück kaum fassen und schickt in den Folgejahren eifrig Bilder nach Weimar. Doch die finden wegen ihrer schwermütigen Note immer weniger Anklang. Und als sich Friedrich dann noch weigert, für den Dichterfürsten die drei typischen Wolkenformen als Lehrbild anzufertigen, wird der Kontakt gekappt. Für einen gewissen Friedrich-Bestand, der nun erstmals von der Klassik Stiftung Weimar in Gänze gezeigt wird, hat es dennoch gereicht.