Als vor 100 Jahren der Surrealismus entstand, wurde Belgien eines seiner Zentren. In Brüssel können jetzt viele vergessene Positionen wiederentdeckt werden
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03.04.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 225
Rachel Baes war in den 1930er-Jahren die Geliebte des rechtsextremen Politikers Joris Van Severen. Nach seinem Tod malte sie junge Mädchen in bedrückenden Räumen, umgeben von filigranen Spitzenarbeiten. Sie verkehrte in den Kreisen von Magritte, wurde von ihm porträtiert und endete dennoch verbittert und vergessen in einem großen Haus in Brügge. Jane Graverol spezialisierte sich auf Vögel und Käfige, mit denen sie ihre eigene Befindlichkeit ausdrücken wollte.
Die Ausstellung zeigt ihre Albträume in einen Dialog mit dem Bild eines großen Apfels, der in einem winzigen Raum steckt – gemalt von Magritte. Geht es um geraubte Freiheit oder die Wachstumsschmerzen von „Alice im Wunderland“, eine der beliebtesten Inspirationsquellen für die Surrealisten? Graverol beteiligte sich zudem an der von Nougé gegründeten Literaturzeitschrift Les Lèvres nues und drehte auch einen provokanten und antiklerikalen Film „L’Imitation du cinéma“, der in der Ausstellung gezeigt wird.
„Imagine!“ heißt dann eine zweite Verbeugung in den benachbarten Königlichen Museen der Schönen Künste: Diese würdigt bis zum 21. Juli ebenfalls mit 17 zumeist aus Privatsammlungen stammenden Werken die Surrealistinnen, verbindet sie aber mit internationalen Vertretern der Richtung und anderen Kunstepochen, etwa den frühen Jackson Pollock und Barnett Newman, oder dem belgischen Symbolismus.
In Räumen mit Themen wie „Nacht“, „Metamorphosen“, oder „Wald“ trifft man auf nie gesehene Werke einer Leonor Fini, Dorothea Tanning, Toyen, Meret Oppenheim, Unica Zürn, Valentine Hugo, Judit Reigl oder der großartigen Isabel Rawsthorne, die ihre Erfahrungen aus Paris nach London brachte und sich selbst als vogelartiges Mischwesen porträtierte. Träume, man spürt es in beiden Ausstellungen, verleihen Flügel.
„Histoire de ne pas rire. Le Surréalisme en Belgique“,
Bozar, Brüssel,
bis 16. Juni