Für ein neues Terminal der Grand Central Station tief unter den New Yorker Wolkenkratzern hat Kiki Smith erstmals Mosaike gestaltet. Ein Gespräch über Rehe und Truthähne, Pendlerströme und ihre Liebe zum Stein
Von
10.03.2023
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 210
(lacht) Ich merke, dass ich mit den Tieren, die ich hier darstelle, Wesen ausgewählt habe, die von vielen Menschen als Plage betrachtet werden. Rehe zum Beispiel: Ihre Zahl ist geradezu explodiert, und sie übertragen Zecken-Borreliose. Aber wenn man sich eine weite Landschaft vorstellt, gehören Rehe einfach dazu. Mein Motiv, ein einzelnes Reh, ist nicht sehr realistisch, denn es sind eigentlich Herdentiere. Irgendwie gefällt mir aber die Idee von diesem einsamen Reh oder auch von der einsamen Möwe, die der Wind an der Küste von Long Island herumweht. Sie haben etwas Melancholisches, wie die Pendlerinnen und Pendler, die auch alleine unterwegs sind und durch das Universum reisen, um von einem Ort zum anderen zu kommen. „Hallo, ihr bekommt Begleitung“, dachte ich. Ist das eine komische Idee?
Im Süden von Long Island gibt es auch Seehunde, aber daran war die MTA weniger interessiert; im Norden, am Sund, ist es wunderschön wild mit Hügeln und Buchten und massenweise Tieren und Vögeln, die umherflattern.
Das Licht spiegelt sich auf der Oberfläche und bildet bewegliche Sterne. Diesen Effekt habe ich früher schon druckgrafisch und in einer Tapisserie dargestellt, und dann wollte ich die Idee in Mosaik umsetzen.
Ja, es ist ungefähr 80 Fuß lang (ca. 25 Meter), in einem Gang, aber nur 12 oder 15 Fuß hoch (ca. 4 Meter). Man geht durch diesen Gang und ist ziemlich nah dran, sodass man nie alles auf einmal sehen kann, immer nur einen Teil.
Ja, auf jeden Fall. Normalerweise mache ich keine großen Sachen. Meine Maße sind eher so (sie hält die Hände in einem halben Meter Abstand), in der Größe eines Brotkastens. Ich bin in Nürnberg geboren, da hatten wir einen altmodischen, emaillierten Brotkasten. Den haben meine Eltern aus Deutschland mit nach Amerika gebracht. Ich habe ihn immer noch. Der Brotkasten ist mein Maßstab.
Das war 1955, ich war ein Jahr alt.
Meine Mutter hatte eine gute Stimme und sang als junge Frau in verschiedenen Broadway-Musicals, zum Beispiel im originalen „Oklahoma!“. Doch eigentlich wollte sie Opernsängerin werden. Da in der Nachkriegszeit in Deutschland Opernsänger fehlten, bekam sie große Rollen in München, Wiesbaden, auch in Salzburg. Ich wurde in einem US-Militärkrankenhaus in Nürnberg geboren, meine Zwillingsschwestern später in den USA.
Nein, berühmt waren beide nicht. Mein Vater hatte erst in den späteren Sechzigerjahren Ausstellungen. Er unterrichtete am Bennington College in Vermont und war oft nicht da. Wir lebten in New Jersey im Haus seiner Großmutter.
Katzen und Vögel. Man muss Tiere doch einfach mögen! Sie sind alle auf ihre Art total faszinierend, einzigartig und interessant.