Die Künstlerin Marianna Simnett hat eine Oper geschrieben, in der KI auf griechische Sagen trifft. Ein Gespräch über die Flöte, den Sound von Trauer und Macht und warum wir uns vor Technologien nicht zu fürchten brauchen
ShareAuf das Wort Oper kam ich, um etwas zu beschreiben, für das es keine anderen Worte gab. Ich wusste, dass ich in einem Projekt mit sehr vielen Disziplinen arbeiten würde, darunter Musik, Tanz und maschinelles Lernen. Ich habe dann das Libretto geschrieben, in zwei Akten, und die Partitur komponiert. Zuerst hatte ich ein wenig Angst, den Begriff Oper zu verwenden, weil er so protzig wirken kann. Aber der Begriff beschreibt letztendlich ein dramatisches Werk, das mit Musik und anderen Kunstformen vertont wird. Meine Oper ist keine traditionelle Oper, es ist eine Flötenoper.
Ich spiele selbst Flöte, es war das zweite Instrument, mit dem ich als Kind aufgewachsen bin, nach dem Klavier. Letztes Jahr habe ich mich mit dem griechischen Mythos von Athene beschäftigt, die die erste Flöte aus einem Tierknochen schnitzte und später gedemütigt wurde, weil sie beim Spielen ihr Gesicht entstellte. „GORGON“ ist eine tiefere Erforschung dieses Mythos. Nach der Erzählung soll Athene die Flöte erschaffen haben, um den Klang der Trauerschreie der Gorgonen nach der Enthauptung ihrer Schwester Medusa zu imitieren. Das hat mich interessiert, die Flöte als Werkzeug der Mimikry von Trauer und Leid, die aber auch so mächtig sein kann, dass sie jemanden töten kann. Außerdem sieht die Flöte aus wie ein Stock, eine Prothese, auch wie ein Zauberstab, sie kann sehr anziehend sein, auch das fand ich spannend. Auf einer persönlichen Ebene kommt dazu, dass ich seit meinem Umzug nach Berlin vor drei Jahren wieder mehr ins Flötenspiel eingestiegen bin, abends, um mich zu entspannen, nach meiner „normalen“ künstlerischen Arbeit. Ich habe mich mit Jazz-Improvisationen beschäftigt und mich vom rigiden klassischen Üben entfernt.
Ja, gern, man kann sie einfach oder komplex beschreiben. Die einfache: Es geht um Greta, die zugleich die Göttin Athene ist, aber teleportiert in die Gegenwart. Sie arbeitet an einem Donut-Stand an einer Bahnstation in Berlin, eine dieser Ketten, die es überall auf der Welt gibt. Dann verwandelt sie sich in den CEO einer Waffenfabrik, denn sie hat entdeckt, dass sie ein Werkzeug erschaffen kann, das den Sound der Macht imitiert. Wir haben für das Stück mit dem 3D-Printer eine Flöte hergestellt, die zugleich eine Waffe ist. Und damit versucht Greta, das Heulen von Gorgon zu imitieren, weil sie weiß, dass es mächtiger ist als alle Waffen, die sie mit ihrem 3D-Printer herstellen kann. Sie schickt ihren jungen Praktikanten, der eine zauberhafte Stimme hat, einen außergewöhnlichen Sopran, um Gorgon anzulocken. In der Oper wird der Praktikant von einer Frau gespielt. Gorgon verführt den Jungen, und er stirbt, sodass sie selbst nach Gorgon suchen muss. In diesem Prozess verwickelt sie sich immer mehr mit Gorgon und verwandelt sich in einen Schwarm Bienen. Gorgon selbst durchläuft viele Metamorphosen, die Metamorphose zieht sich durch die gesamte Geschichte.