Die Künstlerin Marianna Simnett hat eine Oper geschrieben, in der KI auf griechische Sagen trifft. Ein Gespräch über die Flöte, den Sound von Trauer und Macht und warum wir uns vor Technologien nicht zu fürchten brauchen
ShareBeides ist stets miteinander verflochten. Ich habe viel von Filmemachern wie Robert Bresson gelernt, wo der Ton vor dem Schnitt des Films kommt. Je tiefer ich in meine künstlerische Praxis einsteige, desto mehr geht es mir um emotionale Erfahrungen. Es geht nicht immer nur um ein Fest für die Augen, manchmal geht es darüber, ganz plötzlich von Pianissimo zu Forte zu wechseln.In „GORGON“ ist die Musikkomposition verzerrt und vielfältig: Henry Purcells „Didos Klage“ wird zu einem irischen Jig umgestaltet; Holly+ (der digitale Zwilling der Künstlerin Holly Herndon) trägt einen Popsong in Form eines Hundes vor, Gorgons mikrotonales Heulen ist stark vom griechischen Komponisten Iannis Xenakis inspiriert. Der Sound bewegt sich die ganze Zeit hin und her und stört die Linearität der Erzählung. Ich möchte als Künstlerin nicht zwischen den künstlerischen Disziplinen unterscheiden, ich fordere mich selbst heraus, die Lücke zwischen diesen künstlerischen Praxen zu schließen. Musik und das Visuelle sind zwei Seiten eine Medaille für mich. Beziehungsweis es ist noch nicht mal eine Medaille. Es ist wie eine Konstellation, in der die Medien konstant miteinander verhandelt werden.
Unvorhersehbarkeit. Es kann ein Gefühl von Unheimlichkeit, von etwas Unbekanntem hinzufügen. Wie ein Spiegel, der die Informationen, mit dem du ihn fütterst, auf eine verquere Weise zurückwirft. Es war ein langer Weg, es dahin zu bringen, wie es nun aussieht und klingt. Am Ende sieht es leicht aus, aber es war ein wochen- und monatelanger Kampf gegen die Maschine.
Ich habe überhaupt keine Angst. Und ich glaube, dass je eher man anfängt, ein Tool zu benutzen, desto weniger ängstlich ist man. Das ist so wie immer im Leben, die Angst davor hat wenig zu tun mit der Sache selbst, sie hat mit der eigenen Wahrnehmung zu tun. Sobald du anfängst, damit zu arbeiten, merkst du, wie viel menschliche Intervention nötig ist, um etwas damit zu erschaffen. Das heißt, es geht darum, deine Intentionen zu hinterfragen, und nicht darum, dass dieses Ding bald unsere Welt beherrscht. Offensichtlich gibt es schon sehr viele automatisierte Prozesse, wir sind nur gerade in einer Verlagerung, und diese Veränderung ist es, die vielen Panik und Unwohlsein bereitet. Es ist das Gefühl, die Vorherrschaft zu verlieren, und dieses Narrative wird auch von der KI-Industrie selbst bedient, damit weiter an die Macht dieser Technologien geglaubt wird. Kollektive Angst ist ansteckend. Aber die Technologie selbst ist nichts, vor dem man sich fürchten müsste.
Marianna Simnett: „GORGON“
präsentiert von LAS Art Foundation
HAU Hebbel am Ufer (HAU2), Berlin
Welt-Uraufführung am 13. September, weitere Aufführungen vom 14. bis 17. September