Martin Guesnet ist der Europa-Direktor des französischen Auktionshauses Artcurial. Wir sprachen mit ihm über den umkämpften deutschen Markt, die neue Rolle von Paris und die Wirkung der Russland-Sanktionen
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27.12.2022
Momentan ist nicht der richtige Zeitpunkt. Im Kopf ist das natürlich drin. Auch Asien – wo wir ziemlich aktiv waren und Überlegungen hatten – ist natürlich grad gar kein Thema. Wohin denn auch: Nach Peking, Hongkong, Seoul? Da muss man jetzt ein paar Jahre warten. Jetzt konzentrieren wir uns auf Europa, was eh ein weites Feld ist. Wir sind in Italien, in Belgien, in Monaco. Wir beginnen in Spanien präsent zu sein, verstärken uns in Deutschland – und in der Schweiz, weil wir da noch gar nicht sind. Das werden wir ändern.
Zürich ist für uns eher weit weg. In Genf dagegen haben wir viele Kunden und Partner, deshalb sind wir da sehr bekannt. Vielleicht klappt es ja in der Mitte, in Basel. Mehr kann ich jetzt noch nicht sagen. Es gibt aber konkrete Initiativen, womöglich noch 2022.
Eher ein Wintersportort, wo Französisch gesprochen wird. Wir haben ja 2017 die Immobilienagentur John Taylor gekauft. Die ist in diesem Kontext wichtig. Denn JT ist in der Schweiz schon sehr stark – in Genf, Montreux, Gstaad und Verbier.
JT ist sozusagen an der Côte d’Azur geboren. Dort haben die Restriktionen natürlich seit mehr als einem halben Jahr eine große Bedeutung. Im Immobilienmarkt waren die russischen Kunden in der Tat sehr präsent. Die sind jetzt quasi von einem Tag auf den anderen durch die Amerikaner ersetzt worden. Die Amis sind seit einem Jahr plötzlich wieder voll da, mit ihren Dollars, die gerade sehr viel wert sind. Und sie kaufen zum Glück wie verrückt Häuser und Apartments – auch jetzt zur Paris+. Im Kunstmarkt von Artcurial dagegen ist der russische Einfluss nicht stark. Die Russen sind eher in London.
Das hat sich erledigt. Da wäre heute Gstaad idealer. Die große Herausforderung für die Skiorte wird ohnehin werden, dass deutsche oder englische Kunden weniger ausgeben als Russen.
Wie gesagt, auf dem Kunstmarkt haben wir nicht so viele russische Kunden. Die sind zurzeit nicht präsent. Die sogenannten Due-Diligence-Prüfungen werden im Übrigen immer härter. Man muss ständig mehr Papiere hergeben. Alles wird noch genauer kontrolliert, in Frankreich ganz besonders.
Das Thema, das Sie da ansprechen, ist heute praktisch inexistent geworden. Der große Erfolg der Art Basel in den letzten Jahrzehnten hing damit zusammen, dass viel Geld in der Schweiz war. Aber das ist vorbei. Das Geld heute ist global, es fließt offiziell. Es gibt kein Bankgeheimnis mehr. Und das Geld, das da war, ist ausgegeben oder investiert. Das Geld, das Auktionshäuser heute einnehmen, ist kein Schwarzgeld mehr. Wir haben auch keine Cash-Umsätze, das gibt’s nicht. Bar können Kunden nur bis zum Betrag von 1000 Euro einkaufen – da kommt man nicht weit.
Die lokale Situation, das haben wir alle gemerkt, ist gerade sehr wichtig. Und wir profitieren jetzt davon, in Paris zu sein. Da haben wir plötzlich neue Trümpfe in der Hand. Aber das ist kein Zufall, da wurde lang dran gearbeitet. Auch die Wahl von Monaco, München, Köln – das sind wichtige lokale Entscheidungen. Lokal bedeutet dabei aber nicht anti-global. Denn das grundsätzliche Denken im Kunsthandel muss schon global bleiben, sonst kann man nichts erreichen. Globalisierung liegt heute in guten Partnerschaften. Diese unsäglichen Tendenzen von Trump und Co dagegen, sich abschotten und nur an den eigenen Vorteil denken, das ist doch alles absurd.
Wir werden uns jetzt konsolidieren. Erstens: indem wir Deutschland aufbauen und dort eine zweite Repräsentanz gründen. Zweitens die Schweiz – das ist ein sehr weitgehendes Projekt, vielleicht sogar mit eigenen Auktionen. Und drittens die Verstärkung Richtung Afrika und Asien von Marrakesch aus. Meine Kollegen waren in den letzten Tagen in Dubai… Da passiert bald was!