Auf der Insel Porquerolles an der Côte d’Azur verwirklichte ein französischer Sammler seinen Traum. Er ließ ein Museum bauen, so berauschend wie die Natur, die es umgibt
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11.04.2023
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 145
Eine feine Dramaturgie hat der Kunstgartenrundgang – da spielte wohl die Inszenierungserfahrung des Sammlersohns ihre Rolle. „Mein Vater und ich haben komplementäre Persönlichkeiten. Er schätzt starke Bilder“, sagt Charles Carmignac. „Und mich interessieren auch Dinge, die stärker im Inneren wirken und ein bisschen unsichtbarer sind. Von der Schönheit eines Konzepts fühle ich mich angezogen.“ Bleibt die Frage, wie er als Direktor das Museum prägen wird. Konzerte, Tanz- und Theateraufführungen würde er gern stattfinden lassen, erzählt er. Den Ort öffnen. Auch über die Insel hinaus, mit internationalen Kooperationen: „Ich bewundere das Museum Insel Hombroich bei Neuss. Die Familie Müller hat mit den Pavillons von Erwin Heerich inmitten der Natur einen Ort geschaffen, an dem die Kunst wunderbar rein und frei erscheint.“ Und was würde er selbst gern kaufen, für das Museum? „Ich verehre den Lichtkünstler James Turrell. Aber noch lieber würde ich der Zukunft begegnen. Den bisher noch unbekannten künftigen Schülern von Turrell.“ Er sagt es leise und ein wenig, als würde er träumen.
Die Abendsonne schwindet. Bald senkt sich die Nacht über Porquerolles. Am Hafen haben die Dorfjugendlichen eine Barterrasse geentert. Zwei Mädchen tanzen zwischen den Stühlen Salsa. Sonst ist alles ruhig. Beim Abendessen treffe ich Adèle Le Ber und frage sie, was sie vom neuen Museum hält. „Wir haben mehr als genug Touristen im Sommer“, entgegnet die Hotelchefin. „Wenn die Carmignacs also Porquerolles helfen wollen, müssten sie ihr Museum auch im Winter öffnen und durch Aktivitäten beleben.“ Das allerdings ist bisher nicht geplant. Die Fondation Carmignac startet dieses Jahr am 29. April in die Sommersaison. Am Morgen vertreiben Hahnkrähen und Taubengurren noch vor Tagesbeginn den Schlaf. Beim Spaziergang über den Dorfplatz begegnet mir keine Menschenseele. In der Dämmerung laufe ich den Hügel hinauf. Über dem Strand von La Courtade geht die tiefrote Sonne auf und steigt weiter hinein in die letzte verbliebene Regenwolke. Das gedämpfte Licht taucht die Bucht, die Schirmpinien und den kleinen Tafelberg an der Inselspitze in zartes Rosa. Ich wähne mich in den Tropen, in Afrika. Weiter gehe ich den Weg entlang, eine ganze Weile und erreiche den Strand Notre Dame. Zwischen den Kiefern leuchtet das Meer azurblau. Ich tauche ins Wasser und schwimme hinaus in die Bucht, zwischen einigen kleinen Segeljachten hindurch, die hier ankern. Als ich mich umdrehe, liegt der Strand still und einsam da. Hat dieses Paradies ein Kunstmuseum nötig? Nicht unbedingt. Aber wenn man den schönsten Ort für ein Museum wählen dürfte, es müsste Porquerolles sein.
„The Infinite Woman“,
bis 3. November
Villa Carmignac, île de Porquerolles,