Rosalba Carriera in Dresden

Superstar des Rokoko

Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts stand Schlange, um sich von Rosalba Carriera in Pastell porträtieren zu lassen. Jetzt feiert eine Schau in Dresden die Malerin

Von Ulrich Clewing
02.06.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 213

Einer der Besitzerinnen begegnet man in der Dresdner Ausstellung: Caterina Sagredo Barbarigo entstammte dem venezianischen Adel, unterhielt neben dem Casino einen Salon – und sehen Sie sie sich nur an! Carriera hat sie mindestens zweimal porträtiert, und allein bei ihrem Anblick kann der eine oder die andere auf machtvoll unchristliche Gedanken kommen. Aber Venedig hatte noch mehr zu bieten. Zum Beispiel Cafés, die ersten in Europa. Angela Oberer nennt für das Jahr 1763 die Zahl von 213 botteghe da caffè, 14 Theater spielten ein regelmäßiges Repertoire, auch die Malerei florierte nach einer Durststrecke zu Anfang des 17. Jahrhunderts wieder, nicht nur dank Rosalba Carriera. Canaletto, Tiepolo, Guardi, Sebastiano Ricci und Pietro Longhi, sie alle genossen hohes Ansehen.

Besonders Engländer reisten gern nach Venedig. Das hatte mit Vergnügen, den Ausschweifungen und der Lust am Verzocken des Reisebudgets zu tun. Sie kamen auf ihrer Grand Tour aber auch hierher, um – angeregt von einflussreichen Händlern und Vermittlern wie ihrem Landsmann Joseph Smith, dem „Konsul“, einem großen Förderer von Antonio Canal – Kunst zu erwerben, alte und zeitgenössische. Smiths Sammlung ging 1762 an König Georg III. und die Royal Collection.

Rosalba Carriera Dame
Auch die Dame mit Blumen zeigt sich modebewusst. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Und mittendrin war: Rosalba Carriera. Auch sie wurde von Konsul Smith „beraten“. Rasch war sie so gefragt, dass ihr Name in den Reiseführern der jungen Leute stand, die von Southampton, Dover oder Plymouth aus in See stachen, um etwas für ihre Bildung zu tun. Und diese Reiseführer wurden nicht nur von Briten gelesen, im 18. Jahrhundert war halb Europa unterwegs nach Italien. Der dänische König Frederick IV., August der Starke, Maximilian II. von Bayern, jeder ließ sich von Rosalba Carriera porträtieren. Angesichts ihrer Prominenz mutet es heute fast seltsam an, dass man über die ersten zwei Jahrzehnte ihres Lebens so wenig weiß. Lange war nicht einmal ihr Geburtsdatum bekannt, manche Quellen gaben den 12. Januar 1673 an, andere sprachen vom 17. Oktober 1675. Oberer konnte aufklären, dass es sich dabei um Rosalba und ihre Schwester Giovanna handelte, denen ihre Eltern gleiche Taufnamen gegeben hatten. Nochmal zwei Jahre später wurde Anzola Cecilia geboren, „Anzoletta“, die jüngste der drei – mit beiden war Rosalba Zeit ihres Lebens sehr eng. Ihre Mutter, Alba Foresti, arbeitete als eine Spitzenmacherin, ihr Vater Andrea Carriera, ein Anwalt, für die venezianische Republik. Das Auskommen der Familie war nicht immer gesichert, aber sie achteten darauf, dass ihre drei Töchter die beste Erziehung erhielten, in Latein, Französisch und Musik, in klassischer und in zeitgenössischer Lyrik.

Rosalba Carriera Giambattista Recanati
Der venezianische Poet Giambattista Recanati war ein Freund der Künstlerin. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Marina Langner/Wolfgang Kreische

Rosalba übte wohl zunächst den mütterlichen Beruf aus. Doch als die Nachfrage nach Spitzen und Stickereien sank, begann sie, Miniaturen für Schnupftabaksdosen anzufertigen, die Ende des 17. Jahrhunderts schwer im Kommen waren. Da sie als junge Frau nicht bei einem Fremden in die Lehre gehen durfte und es in ihrer Familie keinen gab, der sie in der Zeichen- und Malkunst hätte unterweisen können, nimmt man an, dass sie sich das Malen mehr oder weniger selber beibrachte. Angela Oberer zitiert eine frühe Darstellung der „Leben berühmter Künstler“ des Malers Antoine-Joseph Dézallier d’Argenville (1680–1765). Demnach hatte Carriera eine Zeichnung, die ihr Vater als Illustration für ein Sonett gedacht hatte, so kunstvoll kopiert, dass sie damit alle in größtes Erstaunen versetzte.

Daraus könnte man schließen, dass ihre Hinwendung zur Pastellmalerei zunächst eher eine Notlösung war. Pastell war als Grundlage für Skizzen und Entwurfszeichnungen seit Langem gebräuchlich. Und hatte einen enormen Vorteil: Die Farben müssen nicht umständlich trocknen. Ein Umstand, den Carriera bald zu schätzen lernte. Sie konnte damit in sehr kurzer Zeit sehr viele Bildnisse malen. Wann ihre Laufbahn begann, Fahrt aufzunehmen, vermag ihre Biografin nicht zu rekonstruieren. Aber Oberer erwähnt eines der ersten Dokumente, in dem ihr Name fällt. Dabei ging es um die Übertragung des Eigentums am Haus der Familie Carriera am Canal Grande im Jahr 1700 von der Mutter Alba auf die Tochter Rosalba. Der kleine Palazzo steht heute noch neben der Peggy Guggenheim Collection.

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