Rosalba Carriera in Dresden

Superstar des Rokoko

Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts stand Schlange, um sich von Rosalba Carriera in Pastell porträtieren zu lassen. Jetzt feiert eine Schau in Dresden die Malerin

Von Ulrich Clewing
02.06.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 213

Dorthin zu ziehen war ein geschickter Schachzug. So konnte man das Atelier leicht und diskret vom Wasser aus erreichen – ideal für vermögende Auftraggeber, von denen nicht jeder erkannt werden wollte. Doch auch das erklärt nicht den grandiosen Erfolg von Rosalba Carriera. Wahrscheinlich war es am Ende eine Mischung aus Talent, Arbeitsethos, Geschäftssinn und den speziellen Eigenschaften ihres Materials Pastell. Wenn man es auf Papier verreibt, lässt sich damit ein zarter, pudriger Schmelz erzeugen. Und das war nicht nur schmeichelhaft für die Kundschaft. Sie konnte sich darin auch wiedererkennen, so als würden sie alle in einen Spiegel schauen: Geschminkte, gepuderte Gesichter, gepuderte Perücken, das war einfach die Mode der Zeit im 18. Jahrhundert. Und zu der passte Pastell wie nichts anderes.

In Carrieras Gesamtwerk finden sich deutlich mehr Bildnisse von Frauen als von Männern. Das allein hat noch nicht viel zu bedeuten. Entscheidend ist, wie Carriera Frauen malte, allen voran sich selbst. Es gibt von ihr eine ganze Reihe von Selbstporträts, die in ihrem Ernst, ihrer Ehrlichkeit und psychologischen Einfühlung zu ihren eindrucksvollsten Werken zählen. Was für eine Aura! Noch gut einhundert Jahre nach ihrem Tod schrieb Sensier in seinem Kommentar zu Carrieras „Journal“ aus Paris, man habe sie in Frankreich als eine der verführerischsten Frauen in Erinnerung, und das, obwohl sie „weder jung noch jemals von großer Schönheit“ gewesen sei.

Rosalba Carriera Türke
Ein Unbekannter in türkischer Aufmachung. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Wolfgang Kreische

Ihre Selbstporträts geben nicht nur eine faszinierende Persönlichkeit wieder, einige waren auch schlicht skandalös. Im Jahr 1731 stellte sie sich als Allegorie des „Winters“ dar. Vordergründig eine Anspielung auf ihr fortgeschrittenes Alter. In Wahrheit aber war das Bild, so der Kurator der Dresdner Ausstellung Roland Enke, „ein Tabubruch und eine ungeheure Anmaßung. Carriera trägt einen Hermelin, und jedem, der dieses Gemälde sah, war klar, dass ein solcher Umhang eigentlich allein dem König vorbehalten war.“ Doch nach allem, was man weiß, hat ihr diese monumentale Frechheit nicht geschadet. Es war nicht die einzige Gelegenheit, sich selbst ihres Ranges zu vergewissern. Ein anderes spätes Selbstporträt aus den Gallerie dell’Accademia in Venedig zeigt sie in nachdenklicher Stimmung mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupt – so wie sonst immer nur der größte aller Dichter Italiens, Dante, abgebildet wurde. In einem dritten Gemälde, das sie schon 1709 für die Galerie der Selbstbildnisse in den Uffizien in Florenz geschaffen hatte, malte sie sich mit einem Porträt ihrer jüngeren Schwester Giovanna in der Hand. Das war ein Liebesbeweis.

Männer spielten in Rosalba Carrieras Leben eine untergeordnete Rolle. Sie war nie verheiratet, pflegte jedoch besonders innige Beziehungen zu Frauen. Nicht nur zu ihren leiblichen Schwestern, speziell zu Giovanna. Sondern auch zu anderen ihrer venezianischen Freundinnen, etwa der Autorin Luisa Bergalli, und zu ihrer Lieblingsschülerin Felicita Sartori, von der auch ein ganz bezauberndes, großformatiges Porträt in den Uffizien hängt. Für ihre Biografin Oberer geben diese Beziehungen jeweils unterschiedliche, spezifische Einblicke in mögliche Konstellationen gleichgeschlechtlicher Liebe im 18. Jahrhundert.

Rosalba Carriera Anna Katharina Orzelska
Die Gräfin Anna Katharina Orzelska, eine illegitime Tochter König Augusts II., lebte in Venedig. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Marina Langner/Wolfgang Kreische

Welche Bedeutung diese Frauen für Carriera hatten, beleuchten ein paar historisch verbürgte biografische Tatsachen. Als ihre Schwester 1738 starb, verfiel sie in eine tiefe Depression. Und Sartori war die einzige Schülerin, die es selber zu etwas brachte. Sie wurde Hofmalerin in Dresden, dort, wo einer der größten Verehrer ihrer Meisterin saß. Als sie heiratete, schickte sie der gut vierzig Jahre älteren das Strumpfband ihres Hochzeitskleides. Es sollte ihr Glück bringen. Das hätte man auch missverstehen können, aber Rosalba nahm es ihrer geliebten Freundin nicht übel. Sie dachte an sie, bis sie fast erblindet starb. In ihrem Testament vermachte sie ihr 200 Dukaten. Die Summe hätte für eine hübsche kleine Wohnung in Venedig gereicht.

Service

Ausstellung

„Rosalba Carriera – Perfektion in Pastell“,

9. Juni bis 24. September,

Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden

gemaeldegalerie.skd.museum

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