Martin Eder

„Es gibt genug Katzenvideos auf Instagram“

Der Maler Martin Eder spielt gerne mit Gegensätzen. In seinem Œuvre treffen flauschige Kätzchen auf nackte Körper und düstere Sounds. Ein Atelierbesuch in Berlin

Von Clara Zimmermann
18.08.2023

Der Künstler kocht Kaffee und packt Kuchen aus, er trägt Hemd und Schuhe im Leopardenmuster, die Haare schulterlang, um seinen Hals baumelt eine üppige Goldkette. Er wirkt entspannt. Zum Zeitpunkt des Besuchs laufen gerade zwei Galerieausstellungen mit seinen neusten Arbeiten. In Antwerpen und Berlin. Letztere findet in Eders langjähriger Galerie EIGEN+ART statt und trägt den Titel „Elysium“. Schenkt man der griechischen Mythologie Glauben, so findet man im Elysium, der Insel der Seligen, das Paradies. Auf den Bildern sehen wir Menschen, deren Haut glänzt und strahlt, als hätten sie gerade frisch geduscht. Tauben fliegen in die Höhe und Augen blicken in Richtung Himmel, Pfoten und Hände sind zum Beten erhoben. Zum ersten Mal taucht auch der Künstler selbst auf seinen Bildern auf, gekleidet in einen weißen Mantel mit Kapuze. Die Erlösung scheint nah, doch gleichzeitig unendlich fern.

Martin Eder Atelierbesuch Berlin
Auf den Gemälden sind meist Freunde und Bekannte des Künstlers zu sehen. © Foto: Catherine Peter/ VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Es geht Eder weniger um das Angekommensein im Paradies, sondern um den Weg zum Glück und die ewige Suche nach dem Heil. Das allgegenwärtige Phänomen der „Self-Help“ fasziniert ihn: „Wir werden in diesem Angstzustand gehalten, dass es dort, wo man gerade ist, nicht gut genug ist.“ Wie können wir noch gesünder leben, besser und schneller werden? Selbstoptimierung ist das Wort der Stunde. Im Oktober bespielt er einen Solo-Stand auf der Londoner Kunstmesse Frieze. Dort will er das Thema wieder aufgreifen, sich mit neuen Arbeiten weiter dem Elysium annähern.

Es herrscht eine gewisse Weltuntergangsstimmung im Eder-Universum. Seine Bilder zeigen kaputte Körper, tiefe Abgründe, dunkle Wolken und hohe Wellen. Eders aktuelle Band „Crysis“ spielt melodisch-düstere Drone-Metal-Töne. Musik und Kunst gehen bei ihm Hand in Hand. Mit seiner alten Band „Ruins“ inszenierte er früher eindrückliche Auftritte, mit viel Nebel und langen Gewändern. „Jetzt wo die Welt wirklich untergeht, ist diese Endzeit-Stimmung auf einmal en vogue“, scherzt er. Wer Eders Kunst früher schon geliebt hat, tut das auch heute noch und andersherum ebenso. Der Künstler hat schon immer gerne polarisiert.

Martin Eder Berlin Atelier
Im Juli liefen zwei Galerieausstellungen von Martin Eder: „Karmageddon“ in Antwerpen und „Elysium“ in Berlin. © Foto: Catherine Peter

„Der Mensch ist ein Mensch, egal, ob er eine Hose anhat oder nicht“, kommentiert er die leicht bekleideten Körper auf seinen Gemälden. „Die ganze Kunst ist voll mit Nackten.“ Zitate aus Kunstgeschichte wie dem Barock oder dem Surrealismus ziehen sich durch Eders Bilder. Gekonnt spielt er die einzelnen Elemente gegeneinander aus. So auch auf seinem Gemälde „The Unknownable“ aus dem Jahr 2018, um das in den vergangenen Jahren ein Urheberrechtsstreits entfacht war. Drei Jahre dauerte das Verfahren. Während einer Einzelausstellung in der Londoner Newport Street Gallery hatte der britische Künstler Daniel Conway auf Martin Eders Gemälde einen blühenden Kirschbaum entdeckt, behauptete er sei der Schöpfer des besagten Motivs und klagte auf sein Urheberrecht. Eders Bilder setzen sich oft aus mehreren Elementen und Motiven zusammen. Er bedient sich der Technik des Pastiches, einer künstlerischen Auseinandersetzung mit bereits bestehenden Werken oder Werkteilen zur Schaffung neuer Arbeiten. Sogar nur die Aneignung eines typischen Stils fällt in diese Kategorie.

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