Die TEFAF in Maastricht hat zurück zu altem Glanz gefunden, gerade weil die Gegenwartskunst immer mehr Raum bekommt. Die begleitende Konferenz findet erstmals zusammen mit der niederländischen UNESCO-Kommission statt und widmet sich dem venezianischen Kulturerbe
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04.03.2024
Der Firmenname „Langeloh Porcelain“ signalisiert das Programm. Wer sich als TEFAF-Käufer in die Reihe der russischen Zarenfamilie einreihen will, kann hier die „Mars-Vase“ aus dem berühmten Satz der Planetenvasen nach Kaendler-Modell von 1744 (1745 bemalt) erwerben. Als Geschenk König Augusts III. und Kurfürsten von Sachsen wurde sie 1761 an Zarin Elisabeth gesandt. Sie blieb bis 1917/18 in deren Familienbesitz und war später in der bedeutenden Sammlung Siegfried Salz in Berlin beheimatet. Ein Messeschwerpunkt liegt bei Langeloh diesmal bei Höroldt. Dazu gehört ein Paar früher Böttgerporzellan-Tabaks-„Büchßen“ – wie Tabakstöpfe in der Manufaktur genannt wurden. 1726 entstanden, veranschaulichen sie den dekorativen Neuanfang dank Höroldt. Dabei kann man den „Salami“-Dekor kennenlernen. Er ziert eine große tiefe Schüssel mit Gold- und Lüster-Malerei aus der Höroldt-Werkstatt, sowie ein Paar Olio-Töpfe mit Deckel und zugehörigen Untertellern. Zum prunkvoll gedeckten Tisch empfehlen sich die „Indianischen Figuren“ Johann Joachim Kaendlers, für den großen Tafelaufsatz des „Cabinet Ministers“ Graf Brühl von 1737, die nun für 250.000 Euro in ein Museum oder eine hochdotierte Sammlung wechseln können. Im Epochenübergreifenden Programm der Galerie Flore (Brüssel) fällt ein um 1570 in typischer Manier bemalter Majolika-Weinkühler mit Frescobaldi-Wappen ins Auge.
Bedeutendes historisches Silber ist auf der TEFAF wie schon erwähnt, bestens vertreten. So bei den „Generalisten“ Kugel (Paris), Neuse (Bremen), Peter Mühlbauer (Pocking) oder der Kunstkammer Georg Laue (München). Expliziter Silber-Spezialist ist hingegen das 1973 gegründete Familienunternehmen von Helga und Fred Matzke (nach Anfängen in Würzburg, seit langem in Grünwald bei München ansässig). Seit über 25 Jahren bereichert es die TEFAF mit Silberobjekten des 16. bis 19.Jahrhunderts. Koopman (London) legt der Schwerpunkt auf herausragendes englisches Silber vom 17. bis 19. Jahrhundert. Seit 2007 vertritt John Endlich (Haarlem) eben diesen Zeitraum in Maastricht, bevorzugt mit niederländischen Silberobjekten. A. Aardewerk (Den Haag) verbindet die Silber-Offerte mit alten Juwelen.
Bei Frides Laméris (Amsterdam) steht die Glaskunst von der Antike bis ins 18. Jahrhundert im Mittelpunkt. Ob geschliffen, graviert oder bemalt, erzählt der Dekor Geschichten aus der Geschichte.
Der Wiener Wolfgang Bauer macht seinem Firmennamen „bel etage“ einmal mehr Ehre. Vereint sind die innovativsten Schöpfungen des Wiener Jugendstils, deren Gebrauchsfähigkeit trotz der kühnen Entwürfe nicht in Frage gestellt wird. Da verblüfft ein vor 1912 zu datierender Schrank von Otto Wagner mit Vogelaugenfurnier und Messingbeschlägen (Ausführung Bothe und Erdmann), der einst in Wagners Wohnung stand, und nun für 680.000 Euro in ein neues Interieur umziehen kann. Ebenso wie die virtuos gestaltete Vitrine von Dagobert-Peche von 1913 (150.000 Euro), von dem auch ein getriebener und gehämmerter silberner Tafelaufsatz (100.000 Euro) oder sein Kaffeeservice mit Kaffee-, Milchkanne, Zuckerschale und Tablett, 1920 von der Wiener Werkstätte ausgeführt, für 220.000 Euro zu haben ist. Als Beispiel einer jüngsten Kreation sei ein 2021 entstandener, skulptural wirkender „Sunbust Tall Glass-Chair“ bei Germans Ermics (Amsterdam) erwähnt.
Die Klassische Moderne ist unbestrittener Favorit innerhalb der Sektion moderner Kunst. Mit großartigen Exponaten setzt alljährlich die kanadische Galerie Landau aus Montreal Maßstäbe. Diesmal nennt sie die „Paysage de neige à Chatou“ in Öl von André Derain, einst im Besitz keines Geringeren als Ambroise Vollard in Paris. Unter den deutschen Künstlern hebt Landau Heinrich Campendonk hervor.
Die Galerie Utermann (Dortmund) nennt uns von Marc Chagall, dem Zauberer bildgewordener Sehnsuchtsträume, das „Profil de femme et main au coq“ in einer signierten Gouache von 1962. Gabriele Münter signiertes, datiertes und bezeichnetes Ölgemälde „Rote Wolke mit Haus“ von 1910 wartet für 650.000 Euro auf einen finanzstarken Bewunderer. Max Beckmanns Ölgemälde „Blühender Garten“ von 1933 ist rückseitig „Kaulbach Garten Ohlstadt“ bezeichnet, bestens dokumentiert und mit 950.000 Euro veranschlagt. Ernst Ludwig Kirchner ist mit „Zwei liegenden Akten“ mit von der Partie, die der grandiose Künstler um 1908 mit Farbstiften und starken schwarzen Konturen so auf das bräunliche Papier geworfen hat, dass er ihre sinnlich-nackte Körperlichkeit durch den unbemalten Untergrund wirken lässt. Aus dem alphabetischen Querschnitt durch die Zeichenkunst des 20. Jahrhunderts seien Corinth, Giacometti, Klapeck, Picasso und Winter aufgezählt. Mit einer veritablen Papierskulptur ist der Bildhauer Abraham David Christian dabei.
Die Wiener Galerie Wienerroither & Kohlbacher präsentiert erz-wienerische Kunst auf Papier von Heroen des frühen 20. Jahrhunderts. Düster-melancholisch wirkt Alfred Kubins „Überfall“ in Tusche und Spritztechnik um 1900. Das signierte, mehrfach publizierte, rätselhafte Blatt kam als Geschenk in die Sammlung Waldek und trägt auf der Rückseite deren Inventar-Nummer 70. Egon Schieles Bleistiftstudie zur „Jungfrau“ von 1913 wird in das Werkverzeichnis der Zeichnungen aufgenommen. Ebenfalls erotisch angehaucht ist Schieles „Stehender weiblicher Halbakt (Wally Neuzil)“ von 1912. Schieles signierte „Duftige Landschaft“ in Kohle und Farbkreide von 1915 zeigt, dass der Erotomane auch einer zart hingehauchten Landschaft sinnlichen Zauber verleihen kann.